Es gehört zu seinem Job, immer vom Schlimmsten auszugehen. Selbst beim neuen Firmengebäude ist das mögliche Desaster mit einkonzipiert.
„Die Innenwände sind alle aus Holz", moderiert Dirk Zedler den Rundgang durch sein Prüfinstitut an: „Sollte es die Firma irgendwann nicht mehr geben, kann alles zersägt und verfeuert werden." Zedler hält kurz inne, um sich am erschrockenen Blick seines Gegenübers zu weiden. Dann klärt er auf: „Das war einer unserer Öko-Ansätze bei der Planung. So könnte man das Gebäude jederzeit auch anders nutzen."
Im Moment sieht es nicht so aus, dass sich Zedler in diese Richtung Gedanken machen müsste. Draußen, vor der vollverglasten Fassade des Foyers, zerfasert das Schwarz der Restnacht gerade in frühmorgendliches Blaugrau. Der Tag dümpelt noch bleiern zwischen Dämmern und Erwachen, doch Zedler ist bereits putzmunter. Der Arbeitstag beginnt für ihn meist vor Sechs. Die Flut der Aufträge erlaubt kein Durchatmen. Seit die Firma 2010 zum Prüfinstitut umstrukturiert wurde, schicken Firmen aus Europa, Asien und Amerika im Tagesrhythmus Prototypen, um die Haltbarkeit testen zu lassen. Mittlerweile sind es etwa 500 Rahmen und 1200 Zubehörteile, die auf den Prüfständen des Instituts pro Jahr gequält werden. Dazu kommen die Unfallgutachten, von denen jährlich knapp 600 erstellt werden. Und nicht zu vergessen die Gebrauchsanweisungen für über 60 Fahrradmarken, die in bis zu 40 Sprachen übersetzt werden. Von den Millionenauflagen können selbst Bestseller-Autoren wie Sebastian Fitzek und T. C. Boyle nur träumen. Die Firma wächst und wächst. 23 Mitarbeiter sind es aktuell, weitere Stellen sind ausgeschrieben. Die Fahrradbranche hat das Thema Sicherheit für sich entdeckt. Und daran hat zweifellos auch Zedler seinen Anteil.
„Die Zeit von Trial and Error ist vorbei. Das Qualitätsbewusstsein ist in den letzten Jahren extrem gestiegen", bringt Zedler die Entwicklung auf den Punkt, die Wörter mit S regionaltypisch zerzischelnd, wie das nun mal im Schwabenländle so üblich „ischd".
Das Foyer ist eine Art Sicherheitsschleuse. Wer durch die nächste Tür will, muss eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben und sein Handy abgeben. Ein Schild weist auf striktes Fotoverbot hin. Die Prüfmethoden und Testlabore werden gehütet wie Zauberformeln, sie sind die DNA der Firma. Nichts fürchtet Zedler so wie geistigen Diebstahl. Um Besuchern dennoch einen Eindruck von der Arbeit des Instituts zu vermitteln, wurde extra ein Show-Labor eingerichtet, das zumindest besichtigt werden darf.
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Autor/Foto: Henri Lesewitz
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