Medienberichte und Publikationen rund um Fahrräder, Pedelecs, Technik und Sicherheit

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Darüber hinaus sprechen wir regelmäßig in unabhängigen Fachvorträgen über alle Bereiche der Fahrradtechnik und des Fahrradmarktes. Auch weitere Fach- bzw. Branchenzeitschriften sowie immer häufiger Radio und Fernsehen zitieren uns in ihren Medienberichten und zeigen uns, dass wir mit unseren Hinweisen genau richtig liegen. In der Rubrik AKTUELL erfahren Sie laufend alle Neuigkeiten aus unseren Fachbereichen. Diese Berichte und Publikationen sortieren wir für Sie chronologisch bzw. nach Interessensgebieten.

Medienberichte

Cyclinfo, 04/2018
Lesedauer 7:10 Minuten

Das Mass ist voll

Bricht die Gabel, ist das Velo futsch? Erfahrungen eines Experten. Was Hersteller und Lieferanten zum Thema Ersatzteilversorgung sagen. Und was Händler erwarten können. 

Velos gehen kaputt. Teile verschleissen. Unfälle passieren. Während gebrochene Knochen, geprellte Handballen und aufgeschürfte Knie von Velofahrern heilen, bedeuten angerissene Rahmen, gestauchte Gabeln und eingedellte Felgen nicht selten den Tod der einzelnen Bauteile – und manchmal gar der Fahrräder als Ganzes.

Reparaturen sind aufwändiger geworden. Das hat zwei Gründe. Einerseits ist in manchen Fällen selbst für relativ neue Velos kein Ersatz für defekte Rahmen und Gabeln verfügbar, andererseits wuchs die Zahl der Anbaustandards in den letzten Jahren stark an. „Beides hängt mit dem Wunsch der Velohersteller zusammen, Merkmale herauszuarbeiten, die für den Kauf Anreize bieten sollen“, glaubt der diplomierte Ingenieur Dirk Zedler. Er gehört zu den führenden Sachverständigen für Velos und E-Bikes in Deutschland. „Als Gutachter musste ich Fahrräder schon als Totalschäden erklären, weil kein passender Ersatz für Rahmen oder Gabel eines Unfallrads verfügbar war“, berichtet er.

Sein Prüfinstitut in Ludwigsburg in der Nähe von Stuttgart erstellt unter anderem Gutachten von Unfallvelos für Gerichte, Versicherer, Hersteller und Privatpersonen. Wenn nämlich die noch intakten Teile des havarierten Velos mit dem Ersatz nicht kompatibel sind, weil dieser im Fall des Rahmens neue Achs- und Sitzrohrmasse sowie andere Innen- und Lenkkopflageraufnahmen aufweist, nimmt der Dominoeffekt seinen Lauf. „Rasch wird der Umbau dann unwirtschaftlich“, sagt Zedler. Früher seien sich die Velos unterschiedlicher Kategorien technisch viel ähnlicher gewesen als heute und damit Teile leichter austauschbar. Multipliziere man die Anzahl aller heute erhältlichen Achsgrössen mit der Anzahl von Tretlagerstandards, so komme man auf eine nahezu absurde Anzahl. „Diese theoretische Rechnung ist für Velohändler Realität“, gibt Zedler zu bedenken, „denn all die Masse werden munter gemischt". Damit spricht er einen weiteren Umstand an, der Reparaturen immer aufwändiger macht. Die Vielfalt an Massen bürde den Händlern die zeitintensive Recherchearbeit auf. „Und diese müsste eigentlich vergütet werden“, fordert er. Die Frage bleibt, wer dafür bezahlen soll.

TOTALSCHADEN GABEL

Laut Dirk Zedler kommt es immer wieder vor, dass die Hersteller identischen Ersatz für Rahmen und Gabeln selbst für aktuelle Fahrräder nicht mehr liefern können. Trotz Systemintegration und optisch stimmiger Gesamtgestaltung hätten sie kaum Ersatzteile auf Lager. Dramatisch werde es, wenn eine farblich passende Gabel nicht mehr erhältlich sei. Gerade bei der Klientel von sportlichen High-End-Velos, wie beispielsweise Aero- Rennern, die vor technischen Sonderlösungen strotzen, stösst das auf Unverständnis. Diskussionen garantiert.

Bei den Eigenmarken Bixs, Mustang und Wheeler der Intercycle AG sei es in der Tat so, dass der Lagerbestand der Rahmen und Rahmenteile für die laufenden Modelle klein und überschaubar sei, sagt Manuel Meier, Abteilungsleiter Marketing. „Deshalb besteht unser Alternativangebot in den meisten Fällen darin, den betroffenen Kunden ein neues Fahrrad zu offerieren.“

KEIN RECHTSANSPRUCH

Ein Anrecht auf Ersatz haben die Kunden nur dann, wenn der Hersteller für den Schaden verantwortlich ist. Gemäss der sogenannten Gewährleistungspflicht – im Volksmund fälschlicherweise als „Garantie“ bezeichnet – haften die Hersteller beziehungsweise die Importeure für mangelhafte Produkte zwei Jahre ab Kaufdatum. Das Gesetz schreibt aber nicht vor, dass der Ersatz identisch sein muss. Während beispielsweise in der Autobranche die Hersteller mit ihren Zulieferern Prozesse festgelegt haben, um die Ersatzteilversorgung in der Regel auch noch zehn Jahre nach Produktionsende einer Modellreihe zu gewährleisten, sei es in der Fahrradbranche definitiv nicht so, sagt Martin Mayer, Verkaufsleiter der Sparte Bikeparts der Amsler & Co. AG.

Und wie ist die Verfügbarkeit bei Bosch E-Bike Systems als Marktführer unter den Antriebslieferanten und als Geschäftszweig des weltweit grössten Zulieferers der Automobilindustrie? „Bosch strebt eine Ersatzteilverfügbarkeit von mindestens sechs Jahren an, nachdem wir die jeweiligen Produkte letztmalig an den Fahrradhersteller geliefert haben. Das heisst, die Frist beginnt nicht mit dem Kauf des Fahrrads, sondern der Kunde kann je nach Kaufdatum noch viel länger mit der Verfügbarkeit von Ersatzteilen rechnen“, sagt Tamara Winograd, Leiterin Marketing und Kommunikation.

FRAGE DER KOSTEN

Je nach Hersteller unterscheiden sich die Verfügbarkeiten von Rahmen und Rahmenteilen beträchtlich. Die meisten Hersteller und Importeure sind sich dem Problem durchaus bewusst und bauen ihre Service- und Beratungsdienstleistungen aus. So verlängern Velohersteller beispielsweise die Gewährleistung oder bieten Crash-Replacement-Angebote unter der Bedingung, dass die Fahrräder beim Hersteller registriert und von Fachhändlern regelmässig gewartet werden. Laut Philippe Albertano, Geschäftsführer von Scott Schweiz, bietet Scott während fünf Jahren ab Produktionsdatum Ersatz für Rahmen und Hinterbauten. Bei Flyer sind es acht Jahre für Rahmen- und Motorenteile.

Die lange Ersatzteilversorgung fördert zwar die Kundenzufriedenheit, stellt aber auch einen Kostenfaktor für die Hersteller dar. Die Laufzeiten ihrer Modelle lägen heute bei rund vier Jahren, sagt Anja Knaus, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Biketec. „Das ist im Vergleich zu früher kürzer, aber auch durch die Systemanbieter getrieben“, erklärt sie. Den Trend hin zu kürzeren Produktlaufzyklen bestätigen auch Amsler und die Fuchs-Movesa. Ähnlich lange ist der Modellzyklus mit rund drei Jahren bei Santa Cruz, sagt Chris Leuzinger im Namen von Trailworks, Importeur für Santa Cruz und Ibis. Die Farben änderten sich aber jährlich, nach Produktionsende seien die Rahmen noch während etwa eines Jahres erhältlich. Rahmenteile wie Schaltaugen, Achsen sowie An- und Umlenkhebel hingegen könne Trailworks für Modelle von 2000 bis 2018 ab Lager liefern. „Uns ist es wichtig, die Kunden mit Ersatzteilen versorgen zu können, damit er nicht lange auf sein Velo verzichten muss“, sagt er. Santa Cruz, Ibis, Bixs und Wheeler haben ein Crash-Replacement-Angebot. Dabei sollen Kunden bei selbstverschuldeten Schäden vergünstigt Ersatz erhalten.

KURZE ZYKLEN

Bei DT Swiss beträgt der Produktionszyklus mindestens drei Jahre. Für seine Carbonlaufräder biete man einen Crash-Replacement- Service, sagt Marketing-Spezialist Friso Lorscheider. Zudem könne man mindestens fünf Jahre nach Produktionsende Ersatzteile oder gleichwertigen Ersatz liefern.

Amsler und die Fuchs-Movesa als Generalimporteure der beiden weltweit grössten Komponentenhersteller bekräftigen, dass die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ab Lager ihr oberstes Ziel sei. Dafür nimmt man auch das Risiko der höheren Kapitalbindung in Kauf. Verbindliche Produktlaufzeiten würden Sram und Shimano nicht kommunizieren. „In Verbindung mit der Tendenz zu kürzeren Laufzeiten erschwert das die langfristige Planung und die Bevorratung", gibt Nicole Hänz, Leiterin Marketing Services der Fuchs-Movesa, zu bedenken. Wenn ein Teil nicht lagernd sei, müssten die Kunden mit einer Beschaffungszeit von zwei bis drei Wochen rechnen. Sram produziert laufend, aber nur auf Auftrag, sagt Martin Mayer. Die Lieferzeit betrage sieben bis acht Wochen. Von Magura erhalte man den Grossteil des Sortiments innert drei Wochen ab Werk in Deutschland.

Wenn es darum geht, Lösungen für nicht mehr erhältliche Teile zu finden, ist die Nusshold AG in Zürich ein Geheimtipp. Das Unternehmen hat in der Beschaffung von Ersatzteilen mehr als 130 Jahre Erfahrung und gilt als Spezialist. Der Grossist hat unter anderem mehr als 200 Schaltaugen und eine grosse Auswahl an Sturmey-Archer-Teilen auf Lager. Manchmal liefern wir Händlern aber auch mal nur einen einzelnen Konus für eine Shimano-Nabe, sagt der stellvertretende
Geschäftsführer, Markus Dennler. Sicher ist: Die sensiblen Werkstoffe, die Trends zu Integration und Sonderlösungen der Hersteller, die komplexe Technik und die kurzen Produktzyklen tragen dazu bei, dass moderne Velos schneller altern. „Um diese Misere zu beenden, müssen sich die Händler zusammentun und Einfluss auf die Ersatzteilverfügbarkeit nehmen. Ziel muss sein, dass Modelle wieder länger laufen, die Produkte ausgereifter werden und die Ersatzteilverfügbarkeit besser wird“, glaubt Dirk Zedler.

Autor: Dominic Redli
Foto: Dominic Redli/ZVG

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