Vor einem Jahr hatte der DVM in Kooperation mit dem DIN (Deutsches lnstitut für Normung) einen ersten Workshop zum Thema "Betriebsfestigkeit im Fahrradbau" abgehalten. Die Resonanz war so gut, dass eine Folgeveranstaltung organisiert wurde. Die Federführung hatte der mittlerweile gegründete Arbeitskreis Fahrradsicherheit, bestehend aus Dr. Eric Groß von der Technischen Universität Hamburg-Harburg, Siegfried Neuberger vom Zweiradlndustrie-Verband und Dirk Zedler, lngenieur- und Sachverständigenbüro.
Es wurde ein breites Spektrum an Themen geboten. Die Referenten waren Fachleute, zumeist aus Forschung und Industrie. Die 70 Besucher kamen zu 53 Prozent aus der Industrie, einer vom Flugzeughersteller Airbus, 27 Prozent von Hochschulen oder Instituten und 10 Prozent meldeten sich als Sachverständige. Lediglich 1 Prozent der Teilnehmer war dem Handel zuzuordnen, die Übrigen liefen unter "Sonstige". Diese Verteilung zeigt bereits, dass hochkarätige Vorträge zu erwarten waren.
Erkenntnisse zu Karbon
Einige der Referenten erklärten einleitend den Aufbau von Karbonwerkstoffen: Neben Spritzgussteilen mit eingelagerten Kurzkarbonfasern sind vor allem die Faserverbundbauteile mit Langfasern bekannt. Aus Fasern und der Matrix als Duro- oder Thermoplast entsteht mit unterschiedlich hohem Anteil an Handarbeit das fertige Bauteil (siehe auch RadMarkt 8/2006, Seite 85 bis 93, und RadMarkt 9/2006, Seite 86 bis 91).
Aus diesem Materialaufbau ergibt sich zweierlei: Erstens sind nicht alle Bauteile gleichermaßen für die Konstruktion mit dem Kohlefaserwerkstoff geeignet. Besonders bieten sich Strukturen an, die übersichtliche Lastfälle auf großen Bauteilflächen einleiten können. Wegen der sehr hohen Ermüdungsfestigkeit sind hohe Lastwechselzahlen kein Problem.
Zweitens kann nicht verallgemeinernd von "dem" Bauteil gesprochen werden, da bei dem hohen Anteil an Handarbeitsschritten aufqrund der hohen Serienstreuungen eigentlich Einzelstücke vorliegen.
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Dirk Zedler, Ingenieur- und Sachverständigenbüro für Fahrradtechnik, Ludwigsburg: "Viele Probleme mit Fahrradteilen aus CFK resultieren aus einer falschen Erwartungshaltung des Kunden und mangelndem Wissen der Mechaniker im Radgeschäft. Schulunqen und Weiterbildung von Händlern und Mechanikern sind vonnöten, in der Fachpresse muss fundiert und realitätsgetreu berichtet werden und der Endverbraucher muss mit seinem Produkt klare Anweisungen erhalten."
Fazit
Karbon ist anders als andere Konstruktionswerkstoffe beim Bau von Fahrradrahmen oder Komponenten. Das gilt es in der Konstruktion zu berücksichtigen, ebenso in der Fertigung und im Qualitätswesen einschließlich der vielfältigen Test- und Prüfverfahren. Doch auch die Normen müssen an einigen Stellen die Besonderheiten der Verbundwerkstoffe noch besser berücksichtigen. Hierzu gab es bereits erste Schritte: lm September 2009 kam die CEN TC-333 (Technical Committee for Cycles) zusammen und befand, es müsse auch bei den geltenden Normen besonderes Augenmerk auf Verbundwerkstoffe gelegt werden. Doch schon der Workshop des DVM hat die Experten in der Branche zusätzlich sensibilisiert. Dadurch wird das Thema Karbon als Konstruktionswerkstoff im Fahrradbau und auch die Sicherheit des Fahrrades allgemein wieder ein Stück vorangetrieben.
Text/Fotos: Jörg Kreinjobst