Die Verbände Bundesinnungsverband Zweirad-Handwerk (BIV), TÜV Rheinland, Velotech.de, Verbund Service und Fahrrad (VSF), Zedler-Institut und Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) sehen bei E-Bike-Tuning und -Nachrüstung angesichts von Angebot und Nachfrage sowie mit Blick auf die Folgen deutlichen Aufklärungsbedarf. Vielen Nutzenden scheinen insbesondere beim Tuning die gravierenden Folgen bis hin zu Straftatbeständen unbekannt zu sein. Auch das Nachrüsten von Fahrrädern mit E-Antrieben sehen die Expertinnen und Experten angesichts der bestehenden technischen Normen und Anforderungen kritisch. Mit den beiden neuen Leitfäden sollen sowohl Nutzerinnen und Nutzern als auch dem Fachhandel mögliche Konsequenzen nähergebracht werden.
Unzureichende Aufklärung
Während die Motornachrüstung aus Sicht der Expertinnen und Experten eher ein Fachthema für Werkstätten ist, geht es beim Tuning, also der Erhöhung der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit, von Elektrofahrrädern in erster Linie um die breite Sensibilisierung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn die Anbieter von Tuning-Kits klären die Kundschaft nach den Erfahrungen der Experten nur unzureichend auf. Oftmals werde einzig im Kleingedruckten erwähnt, dass der Einsatz eines solchen Kits im öffentlichen Straßenraum nicht zulässig sei. Mit keinem Wort werde darauf hingewiesen, dass die Nutzung generell gefährlich sein kann, weil die Fahrradkomponenten nicht auf die höhere Dauerbelastung ausgelegt sind. Besonders schwerwiegend kann sich die Nutzung im öffentlichen Raum durch „Fahren ohne Fahrerlaubnis“ oder „Fahren ohne Versicherungsschutz“ verhalten.
Die Verbände weisen deshalb darauf hin, dass Pedelecs mit Tuning-Kits keine Elektrofahrräder mehr sind, sondern Kraftfahrzeuge, die ohne Versicherungsschutz im Verkehr bewegt werden und beispielsweise auch nicht auf Radwegen fahren dürfen.
Konsequenzen für die Nutzung
E-Bikes 25/Pedelecs sind auf eine Nenndauerleistung von 250 Watt und eine bauartbestimmte Höchstgeschwindigkeit mit elektrischer Tretkraftunterstützung von maximal 25 Stundenkilometern begrenzt.
Nur dann sind sie gemäß StVZO straßenverkehrsrechtlich Fahrrädern gleichgestellt. Jegliche Steigerung von Leistung und/oder der bauartbestimmten Geschwindigkeit über diese Grenze hinaus hat zur Folge, dass das Fahrrad verkehrsrechtlich zu einem Kraftfahrzeug wird. Dadurch ergeben sich Konsequenzen wie die Betriebserlaubnispflicht, Fahrerlaubnispflicht, Versicherungspflicht, Heimpflicht, Unzulässigkeit der Radwegebenutzung und der Nachweis der Betriebsfestigkeit aller sicherheitsrelevanten Bauteile.
Mögliche rechtliche Konsequenzen für Nutzende bei Tuning sind Ordnungswidrigkeit und Bußgeld, ein Straftatbestand („Fahren ohne Fahrerlaubnis“, „Fahren ohne Versicherungsschutz“). Im Wiederholungsfall kann es eventuell zu einer Eintragung im Führungszeugnis, dem Verlust des Versicherungsschutzes, dem Verlust der Sachmängelhaftung und Gewährleistungsansprüche, dem Verlust der Fahrerlaubnis und regelmäßig einer Teilschuld bei einem Unfall kommen.
Konsequenzen für den Fachhandel
In ihrem Leitfaden „Risiken beim Nachrüsten von Fahrrädern mit E-Antrieben“ weisen die Fachverbände zudem darauf hin, dass Fahrräder für den Einsatz mit reiner Muskelkraft konstruiert und geprüft sind. Durch die Nachrüstung mit speziellen Kits werden diese Fahrräder mindestens zu E-Bikes 25/Pedelecs, die der Maschinen und EMV-Richtlinie (Elektromagnetische Verträglichkeit) unterliegen und entsprechend geprüft werden müssen. Abschließend müsste der Nachrüstende eine Konformitätserklärung erstellen, was dieser in der Regel nicht kann oder darf. Bei höherer Leistung handelt es sich verkehrsrechtlich um ein Kraftfahrzeug, das eine Betriebserlaubnis von autorisierter Stelle benötigt. Mögliche rechtliche Konsequenzen für Händler bei Nachrüstung sind die Beihilfe zur Straftat, Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit, die Haftung des Händlers für Personen- und Sachschäden und der Verlust des Betriebshaftpflicht-Versicherungsschutzes.
Maßnahmen gegen Tuning
Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) ist den deutschen und europäischen Herstellern und Anbietern die Tuning-Problematik bewusst und sie wird ernst genommen. Gemeinsam arbeiten sie demnach seit dem Jahr 2017 zusammen mit den Instituten und Verbänden der Fahrradindustrie darauf hin, das Tuning von E-Bikes zu erschweren und Nutzende sowie Händlerinnen und Händler über die Risiken zu informieren. Seit 2021 gibt es zudem die Anti-Tuning-Initiative „Companies against Tampering“ von der Confederation of the European Bicycle lndustry (Conebi), dem Dachverband der europäischen Fahrrad-, Pedelec-, Teile- und Zubehörindustrie. Mit der Unterzeichnung sprechen sich die organisierten Hersteller und Anbieter von E-Bikes 25/Pedelecs und Antriebssystemen strikt gegen jegliche Art der Manipulation an ihren Produkten aus, die die Steigerung der Leistung oder der maximalen Unterstützungsgeschwindigkeit zur Folge haben. Die teilnehmenden Partner verpflichten sich in diesem Rahmen, alle geltenden Vorschriften zum Schutz vor Manipulationen einzuhalten, die bestehenden Standards kontinuierlich zu bewerten und zu verbessern sowie alle Akteurinnen und Akteure für die Gefahren durch Tuning zu sensibilisieren.
Auch die Europäische Union hat technische Maßnahmen gegen das Tuning beschlossen. In Kürze soll die technische Spezifikation CEN/TS 17831 „Fahrräder - Elektromotorisch unterstützte Räder - Maßnahmen zum Schutz vor Manipulationen - Reproduzierbare Tests zur Fälschungsbekämpfung“ veröffentlicht werden. Darin sind nach Angaben des ZIV verschiedene Maßnahmen und Prüfungen aufgelistet, die Hersteller von Elektrofahrrädern einhalten müssen.
Autor: Maxim Huber