Medienberichte und Publikationen rund um Fahrräder, Pedelecs, Technik und Sicherheit

Die häufigsten Sicherheitsrisiken, die uns in der täglichen Arbeit rund um Fahrrad-Sicherheit, -Technik und -Bedienungsanleitungen auffallen, publizieren wir auch in Artikeln in den führenden Fachmagazinen TOUR – Europas Rennrad-Magazin Nr. 1, BIKE – Das Mountainbike Magazin Europas Nr. 1 und E-Bike – Das Pedelec-Magazin, um diese für die Branche wichtigen Informationen einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Auch die Eurobike Show Daily, Messezeitschrift der jährlich stattfindenden Eurobike Show, gibt uns seit vielen Jahren die Möglichkeit, unsere Sicht auf wichtige Entwicklungen in der Fahrradbranche in ganzseitigen Artikeln auszuführen.

Darüber hinaus sprechen wir regelmäßig in unabhängigen Fachvorträgen über alle Bereiche der Fahrradtechnik und des Fahrradmarktes. Auch weitere Fach- bzw. Branchenzeitschriften sowie immer häufiger Radio und Fernsehen zitieren uns in ihren Medienberichten und zeigen uns, dass wir mit unseren Hinweisen genau richtig liegen. In der Rubrik AKTUELL erfahren Sie laufend alle Neuigkeiten aus unseren Fachbereichen. Diese Berichte und Publikationen sortieren wir für Sie chronologisch bzw. nach Interessensgebieten.

auto-motor-sport 20/2020
Lesedauer 5:00 Minuten

Lastenräder – Das große Risiko?

In Berlin schon lange hip, prägen die Zwei- und Dreiräder mit Transportfläche vorne oder hinten inzwischen auch in vielen anderen deutschen Metropolen das Stadtbild: Cargobikes. Gemeint sind ein- und mehrspurige Lastenräder unterschiedlichster Größen und Gewichtsklassen, die durch Muskelkraft oder mit elektrischer Unterstützung angetrieben werden. In der Postzustellung seit über 100 Jahren Normalität, erfreuen sie sich vor allem als Kindertransporter zunehmender Beliebtheit. Gerade die noch sehr junge Gattung mit Elektroantrieb versetzt Eltern in die Lage, den Nachwuchs umweltfreundlich mit dem Rad durch den Alltag zu transportieren. Mit Zuladungskapazitäten von bis zu 450 Kilogramm kommen sie allmählich auch als gewerbliches Güterverkehrsmittel zum Einsatz. (...)

Stresstest: Dirk Zedler und sein Team prüfen im Labor die 5icherheit von Cargobikes

Sicherheitsrisiko Lastenrad
Es waren schreckliche Bilder: In Köln wird eine Lastenradfahrerin samt Kind von einem abbiegenden Autofahrer erfasst. Die Frau befand sich nach Angaben der Polizei entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung auf der falschen Radwegseite und erlitt bei der Kollision schwere Verletzungen, das Kind kam mit dem Schrecken davon. Bereits zuvor hatte die Regierung im Nachbarland Niederlande ein spezielles Lastenradmodell für den Kindertransport verboten, das aus ungeklärten Gründen vor einem Bahnübergang nicht zum Stehen kam. Vier Kinder starben. Es sind Nachrichten wie diese, die immer häufiger in den Zeitungen zu lesen sind. Und trotzdem: Viele Nutzer von Cargobikes berichten, dass sie sich damit im Straßenverkehr wohler fühlen als auf einem gängigen Fahrrad. Zweifelsohne ist der damit verbundene Transport der Sprösslinge sicherer als der klassisch montierte Kindersitz auf dem Gepäckträger. Der Grund: Der Nachwuchs sitzt im Vergleich meist deutlich niedriger. Das verringert nicht nur die Fallhöhe, sondern erleichtert es dem Fahrer, die Balance zu halten.

Aber: Bauartbedingt sollten sich Neulinge vor dem Alltagseinsatz mit den besonderen Fahranforderungen auseinandersetzen. Lastenräder haben ein deutlich höheres Gewicht, sind länger und breiter als gewöhnliche Fahrräder. Entsprechend groß ist ihr Wendekreis. Dreirädrige Modelle können sich in Kurven nicht zur Seite neigen. Das erfordert Übung. Gerade Cargobikes mit einer hohen Zuladung verhalten sich beim Bremsvorgang anders als gewöhnliche Drahtesel - mit teils fatalen Folgen, wie die oben genannten Beispiele zeigen.

Stichwort Bremsen: Vor einem Kauf sollten sich Kunden von einem Fachmann beraten lassen und dabei auf den Hersteller achten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass holländische Fabrikate - der dortigen Topografie geschuldet - mit spärlichen Bremsen auskommen müssen. Das mag in Städten wie Amsterdam ausreichen, im hügeligen Stuttgart schon nicht mehr. Dirk Zedler, Sachverständiger für Fahrräder und E-Bikes, ordnet ein: „Fahren Sie mal mit einem holländischen Lastenrad mit Rollenbremsen einen Berg hinunter. Da kommen Sie nicht zum Stehen."

(...)

Steigenden Unfallopfer-Zahlen zum Trotz
Wenig Platz und mehr Lastenräder bereiten Probleme. Vor allem an Kreuzungen, an denen die Verkehrsführung nicht klar definiert ist, kam es im vergangenen Jahr zu einer steigenden Anzahl von Unfällen mit Pedelecs, also E-Bikes mit einer Tretunterstützung bis 25 km/h: Während von Januar bis November 2019 die Zahl der Verkehrstoten bei Nutzfahrzeugen, Motorrädern und Fußgängern zurückging, stieg sie bei den Fahrrädern mit Elektromotor - häufig die Basis für Lastenräder - um 32,6 Prozent. Wie viele Unfälle speziell Cargobikes betreffen, geht aus der Statistik nicht hervor. Dabei wären diese Zahlen so wichtig, um eine fachlich fundierte Debatte führen zu können. In der Straßenverkehrs-Unfallstatistik wird jedoch lediglich nach Fahrrad und Pedelec unterschieden. Nicht nur der Verkehrsclub Deutschland e.V. fordert deshalb eine gesonderte Erfassung. Klingt plausibel, eine Umsetzung kann aber laut Siegfried Brockmann noch dauern. „Das ist ein gesetzgeberischer Vorgang, bei dem die Länder ein wichtiges Wort mitzureden haben", meint der Leiter der Unfallforschung der Versicherer skeptisch.

Dirk Zedler sieht auch bei der Polizei Verbesserungsbedarf. So fehle dort die notwendige Sensibilität: „Spuren werden zu oft ungenügend dokumentiert, die Fahrräder schnell weggeräumt.“ Im Ergebnis gäbe es dann nur in wenigen Fällen verwertbare Fotos. So wie man auf aussagekräftige Statistiken noch warten muss, hapert es auch bei speziellen Sicherheitsbestimmungen für Cargobikes. Eine Anfang 2020 veröffentlichte DIN-Norm legt erstmals Anforderungen an den Kindertransport auf Lastenrädern fest. Für den gewerblichen Einsatz gibt es bislang nur eine Information der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Beide dienen Herstellern, Handel und Verbrauchern als Orientierung - und weisen Lücken auf. So beinhaltet die sogenannte DIN-79010 weder Angaben für den sicheren Transport von Kleinkindern unter neun Monaten noch für Schwertransporte auf mehrspurigen Lastenrädern mit mehr als 300 Kilogramm zulässigem Gesamtgewicht, von einer Helm- oder Anschnallpflicht ganz zu schweigen.

Auch Zedler sieht Handlungsbedarf: „Die Norm ist ein guter Ansatz, aber es wurden ein paar Sachen vergessen." So fehle es ebenfalls an einer Prüfung der Lenksäule. Die sei laut dem Sachverständigen enorm wichtig, da über den Träger erhebliche Kräfte auf den Rahmen wirkten. Am Ende ist die DIN-79010 nur der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Branche einigen konnte. Zedler resümiert ,,Die Latte wird so tief gelegt, dass nahezu jeder drüberkommt. Mehr lässt sich aktuell nicht durchsetzen, weil im Normausschuss auch Hersteller sitzen, die einfach billige Ware produzieren. "

Wenig Licht, viel Schatten?
Deutliche Worte. Aber Dirk Zedler muss es wissen. Er betreibt ein großes und international agierendes Labor mit über 50 Prüfsystemen. Dabei testen er und sein Team Lastenräder von mehr als 60 Firmen. Im Fokus dabei steht die Sicherheit für den Nutzer. Wir prüfen für fast alle Kunden deutlich über die allgemein anerkannten Normen hinaus", nimmt Zedler seine Kunden in Schutz. Doch nicht alle Hersteller scheinen es mit der Sicherheit so genau zu nehmen. Der Lastenradmarkt ist ein noch junges und dynamisches Feld, die Zahl der Anbieter liegt inzwischen im hohen zweistelligen Bereich. Gerade in der jungen Startup-Szene tummeln sich noch einige schwarze Schafe. Zedler spricht Klartext: „Da gibt es Firmen, da ist der Fahrer der Testpilot." Der Radlogistik Verband Deutschland, kurz RLVD, versucht zu beschwichtigen: „Der Markt der Cargobikes entwickelt sich erst und die Technologie ebenfalls.“

Zu den positiven Beispielen zählen sicher Unternehmen wie Riese und Müller. Der Premiumanbieter hat gemeinsam mit dem Bremssystem-Hersteller TRP die erste speziell für Lastenräder konzipierte Scheibenbremsanlage im Angebot, die ein Cargobike auch bei hoher Zuladung sicher zum Stehen bringen soll. Neben einer Vollfederung gehören Dauerfahrlicht und je nach Modell auch serienmäßiges Fern- und Bremslicht zum Ausstattungsumfang. Damit die Kinder sicher mitfahren können, hat der Hersteller aus Darmstadt ein flexibles Kindersitzkonzept mit 5-Punkt-Gurtsystem entwickelt. Die Firma Ca Go Bike geht noch einen Schritt weiter und ersetzt den in der Branche noch gängigen Holzkasten durch einen Kunststoffkübel inklusive Knautschzone und optionaler Kinder-Kopfstütze. Laut RLVD hätten die Cargobike-Anbieter inzwischen verstanden, dass es standfeste Komponenten brauche. In Zeiten, in denen Lastenräder für die Massen interessant werden, ist das auch dringend notwendig.

Autor: Martin Ehrenfeuchter
Foto: Zedler-lnstitut

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