RADtouren: Worauf ist beim Kauf „besonders günstiger“ E-Bikes zu achten, damit aus dem Schnäppchen kein Sicherheitsrisiko wird?
Sebastian Martin: Ein Neupreis von unter 1000 Euro bedeutet für uns bei Pedelecs „besonders günstig“. Es gibt auch für den Laien mehrere Punkte, die eine erste Prüfung ermöglichen.
Steht auf den elektronischen Antriebskomponenten und insbesondere auf dem Akku eine Hersteller- und Typenbezeichnung? Ist das nicht der Fall, ist bereits daher vom Kauf abzuraten. Gleiches gilt für lose Elemente im Inneren des Akkus. Treten hier Klappergeräusche auf, wenn man den Akku schüttelt oder rutscht im Inneren etwas hin und her, besteht ein nicht kalkulierbares Risiko. Leider erleben wir in der Praxis immer wieder, dass es hier Grund zur Beanstandung gibt.
Aufgrund von Unwissenheit oder schlicht der Tatsache, dass beim Verkaufspersonal keine Zeit dafür vorhanden ist, werden Pedelecs bei Discountern und Baumärkten nicht selten gar nicht oder zumindest nicht regelmäßig geladen. Bei der heutigen Akkutechnik stellt das Tiefentladen einen kritischen Zustand dar, welcher den Akku für immer schädigen kann. Wird das Pedelec mit leerem Akku übergeben, verweigern Sie die Annahme.
Die Verkabelung günstiger Pedelecs sorgt häufig für Ärger oder gar noch mehr. Billige Steckverbindungen, die nicht verwechslungssicher konstruiert sind, können unter Umständen zu irreparablen Schäden oder schlimmstenfalls zur Explosion des Akkus führen.
Schlecht vor Feuchtigkeit geschützte Steckkontakte können zum vollständigen Systemausfall führen. Auch sind Displays günstiger Pedelecs häufig nicht ausreichend gegen Wassereintritt abgedichtet.
Außerdem sollte man vom Kauf vermeintlicher Schnäppchen mit Vorderrad-Nabenmotor absehen. Die enorme Mehrbelastung durch den Frontmotor führt bei der erfahrungsgemäß eher einfachen Federgabel und dem Lenkungslager bereits nach kurzer Zeit zu Schäden und im Ergebnis häufig zu einem wirtschaftlichen Totalschaden an dem Pedelec. Abraten sollte man vom Kauf bei Discountern, Baumärkten, im Internet oder ähnlichem. Allein schon, da hier erfahrungsgemäß weder eine fachkundige Beratung, eine individuelle Anpassung an den Fahrer, noch ein Service nach dem Kauf erfolgt.
RADtouren: Gibt es Siegel oder Zertifikate, auf die man achten sollte?
Sebastian Martin: Ein Punkt, den man bei günstigen Pedelecs prüfen kann, ist das CE-Kennzeichen, das am Pedelec ab Werk deutlich sichtbar angebracht sein muss. Die CE-Kennzeichnung ist zusammen mit der Konformitätserklärung, die man typischerweise in der Betriebsanleitung findet, die Bestätigung des Herstellers oder Inverkehrbringers, dass alle an das Produkt gestellten Anforderungen erfüllt sind. Das Konformitätsverfahren kann allerdings auch in Eigenregie durchgeführt werden, eine abschließende Sicherheit gibt es damit also nicht. Das CE-Kennzeichen findet man in der Regel am Rahmen, darauf müssen das Bau- beziehungsweise Modelljahr, das Gewicht des Pedelecs, das zulässige Gesamtgewicht, die Nenndauerleistung, die maximale Unterstützungsgeschwindigkeit und die Adresse des Herstellers vermerkt sein. Fehlen CE-Kennzeichnung oder die Konformitätserklärung, ist dringend vom Kauf abzuraten.
RADtouren: Welche Erfahrungen machen Sie bei Zedler mit billigen E-Bikes? Was sind typische Schwachstellen?
Sebastian Martin: Pedelecs unter 1000 Euro können erfahrungsgemäß oft bereits nach kurzer Zeit nicht mehr im vollen Umfang zu nutzen sein. Aus unserer Praxis wissen wir, dass dies teilweise bereits nach wenigen Tagen bis wenigen Monaten der Fall sein kann. Gründe hierfür gibt es sowohl auf der mechanischen als auch auf der elektronischen Seite. Elektronische Systemausfälle entstehen meistens durch die bereits genannten Punkte, Verkabelung und Dichtigkeit. Auf der mechanschen Seite verzeichnen wir häufig Speichenbrüche, ausgeschlagene oder verschlissene Lager. Eine ausgeschlagene oder verschlissene Federgabel mindert die Funktion sehr schnell, eine brechende Sattelstütze oder ein brechender Rahmen aufgrund einer nicht ausreichend betriebsfesten Konstruktion kann geradezu gefährlich werden.
Gerade die Akkutechnik ist noch immer ein deutlicher Kostentreiber bei Pedelecs. Akkus renommierter Hersteller liegen bei zumindest mehreren hundert Euro. Der Grund hierfür sind die aufwändige Elektronik, die enthaltenen Sicherheitsfunktionen sowie die vorab absolvierten Prüfungen. All das kann bei einem billigen Pedelec, das teilweise nicht einmal den Verkaufswert eines hochwertigen Akkus hat, nicht vorhanden sein. Das bestätigt auch unsere Praxis. Wir können nur vom Kauf derartiger Pedelecs abraten. Langfristig wird man damit weder Spaß haben, noch im vollen Umfang mobil bleiben. Unser Tipp daher: Prüfen Sie im Fachhandel die Verfügbarkeit gebrauchter Marken-Pedelecs.
Die Fragen stellte Ingo Effing
Foto: Zedler-Gruppe