Fahrräder werden immer leichter – werden sie auch sicherer?
DIRK ZEDLER: Vom Prinzip her hat sich alles beim Fahrradbau zum Positiven entwickelt. Alles ist auf einem viel höheren Niveau als vor zehn Jahren noch. Das Produkt und alle Bauteile am Rad sind sicherer geworden – aber: Was der Benutzer und der Monteur damit tun, das kann dann aus einem sicheren Rad ein gefährliches machen. Will man Formel-1-Teile mit Werkzeug aus dem Billigmarkt verarbeiten, kann das ja auch nicht gut gehen. High- Tech braucht auch einen High- Tech-Umgang damit.
Wie kann der Verbraucher ein sicheres Rad erkennen, wo sollte er nachschauen?
DZ: Es ist immer gut, das Rad im Fachhandel zu kaufen und nicht irgendwo auf der "grünen Wiese". Renommierte Hersteller liefern gute Produkte. Wichtig ist, dass ein Rad fahrfertig und endmontiert an den Benutzer übergeben wird. Wichtig ist auch, dass er das Rad nach kurzer Zeit, je nach Angaben des Herstellers, zur Erstinspektion zu seiner qualifizierten Fachwerkstatt bringt. Und ebenso wichtig ist, dass das Rad ordentliche Begleitpapiere hat. Oma hat für ihr Dreigangrad noch keine Bedienungsanleitung gebraucht, aber heutige Fahrräder sind mit komplexerer Technik ausgestattet, über die man aus der guten Betriebsanleitung alles Wichtige erfährt. Ansonsten ist "scharfes Hinsehen" für den Laien schwer. Aber gute Pflege ist für ihn leicht.
Was aber kann der Radfahrer denn selber machen?
DZ: Sicherheit gibt ihm auf jeden Fall der regelmäßige Check des Rades. Auf was er da entweder in regelmäßigen Abständen oder vor jeder Fahrt achten sollte, zeigt ihm die Bedienungsanleitung. Oft hat sie eine Checkliste mit zehn oder fünfzehn Punkten – und wenn der Radfahrer die beachtet, hat er damit schon 90 Prozent der möglichen Fehlerquellen beseitigt.
Oft wird heute auch Carbon an Trekkingrädern verbaut, die ja einiges an Belastung aushalten müssen. Ist der Einsatz dieses High-Tech-Materials dort sinnvoll?
DZ: Carbon ist ein tolles Material. Aber für Trekkingräder nicht generell geeignet, meine ich. Das Kohlefaser-Material hat zwar kaum einmal Ermüdungsprobleme, aber es hat Schlag- und Stoß-Probleme. Wird also ein Rad oft auf seinem eigenen oder an einem Radständer abgestellt, dann kann es schon mal umfallen oder heftig angeschlagen werden. Bei Aluminium- oder Stahlrahmen gibt das dann vielleicht eine Delle, die ist nicht schön. Carbon aber kann brechen. Deshalb hat es seinen Platz bei sportlichen Trekkingbikes oder beim Rennrad, weniger beim Stadt und Reiserad. Carbon ist auch nicht unempfindlich gegenüber Umwelteinflüssen: Das Carbonrad sollte also nicht wochenlang draußen stehen.
Gibt es eigentlich "das" klassische Radmaterial?
DZ: Stahl wird von Anbeginn des Radfahrens und Räderbauens verwendet, seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat man dann auch Aluminium eingesetzt, und aus beiden Materialien gibt es auch heute noch sehr gute Räder, sehr gute Alltagsräder. Im Spitzenbereich haben dann die Kohlefasern noch eins draufgesetzt. Titan, oft angepriesen, kann nicht viel mehr als Alu, ist aber deutlich teurer und aufwendiger zu verarbeiten.
Mancher, der ein Faltrad anschaut, hat Angst, es könnte sich unterm Fahren zusammenfalten. Was sagt der Sachverständige dem Angsthasen?
DZ: Ich fahre selbst seit Jahren ein Faltrad. Kauft man Seriöses aus dem Fachhandel, dann braucht es keine Angst, die sind sicher. Die Bedenken kommen ja aus einer Zeit des absoluten Tiefpunkts der Fahrradindustrie in Deutschland – Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als es das unselige "Klapprad" gab. Heute sind Falträder sehr sinnvolle Bestandteile einer Mobilität auf zwei Rädern – man fährt die großen Strecken mit dem Zug oder dem Auto und hat, handlich verpackt, sein Rad für die kurzen Strecken dabei.
Der viel beschworene Trend sind E-Bikes oder Pedelecs. Die sind schwerer und werden meist schneller bewegt. Sind sie denn sicher?
DZ: Das ist einweites Feld. Gegenwärtigwerden im Normierungswesen starke Regulierungen erarbeitet. Auch hier gilt: Von renommierten Herstellern werden sehr gute Räder geliefert, bei denen alles aufeinander abgestimmt ist, weil jede der Komponenten, also Rahmen, Gabel und der Antrieb, von Grund auf für diesen Einsatz konzipiert sind. Zu warnen ist aber vor dem nachträglichen Umrüsten, das ja auch immer wieder mal angeboten wird. Da wirken Kräfte auf Bauteile ein, die für viel geringere Lasten ausgelegt waren. Für mich ist der sinnvollste Motor der, der in der Mitte sitzt. Denn mit dem Nabenmotor im Vorderrad, der vorne an der Lenkung ruckelt, kommt nicht jeder zurecht.
Wie oft fahren Sie selbst denn Rad?
DZ: Im letzten Jahr waren es 9500 Kilometer mit dem Rennrad, 2500 mit meinem Stadt- und meinem Faltrad und leider nur 300 mit dem Mountainbike.
Autor: Lorenz Koch