LUDWIGSBURG. Gäste des Zedler-Institutshaben Glück: Beim Tag der offenen Tür am vergangenen Samstag hat das auf Fahrradtechnik und -sicherheit spezialisierte Unternehmen seinen 2018 eingeweihten Neubau im Ludwigsburger Westen ausnahmsweise für die Allgemeinheit geöffnet. Außenstehende, die sich noch nicht näher über das Institut informiert haben und an einer der stündlichen Führungen teilnehmen, dürften vor allem über die hochmoderne Technik erstaunt sein, mit der Fahrräder heutzutage getestet werden. Philipp Kipker etwa, Prüfingenieur beim Zedler-Institut, führt rund 20 Besucher in das Prüflabor im Untergeschoss der Zentrale. Allein in einem einzigen von zahlreichen Laborräumen werkeln mehr als ein halbes Dutzend Prüfroboter vor sich hin.
Die Maschinen sind für hoch spezialisierte Prüfverfahren konstruiert worden und erfassen unter anderem die Belastung von Rahmen, Gabeln, Lenkern oder Bremsen. Das Zedler-Institut ist für Fahrradhersteller aus aller Welt tätig, die neue Produkte auf den Markt bringen wollen. Die Prüfverfahren sind Teil des Zulassungsprozesses.
Sämtliche Maschinen haben Zedler-Mitarbeiter selbst entwickelt, etwa die Hälfte der Mitarbeiter am Stammsitz sind Ingenieure und Mechaniker.
Auch ehemalige Ingenieure interessiert
Die Messtechnik durchläuft selbst ein komplexes Zertifizierungsverfahren und darf erst nach der Freigabe durch die Berufsgenossenschaft eingesetzt werden, erklärt Kipker. Beim Tag der offenen Tür interessieren sich auch einige ehemalige Mitarbeiter von schwäbischen Großkonzernen für die moderne Technologie und zeigen sich beeindruckt. Der deutlich jüngere Kollege nimmt die Anregungen der routinierten Ingenieure aufgeschlossen zur Kenntnis. Schließlich fragt sich Kipker ständig, wie er die Roboter perfektionieren kann. Derzeit etwa feilt er an der Weiterentwicklung eines gewaltigen Fallende-Masse-Apparats. „Leider habe ich noch keine Lösung gefunden, die wir bezahlen können“, meint er zum Abschluss seiner Führung.
Dirk Zedler hatte sein Institut am 1. April 1993 ursprünglich nicht mit dem Ziel gegründet, Aufträge für die Industrie abzuwickeln. Die Fahrradverkäufe waren zuvor in die Höhe geschnellt. Die Nachfrage nach Mountainbikes explodierte, die Zahl der Fahrradunfälle ebenso. Doch es fehlte an Experten, die nach Unfällen die Werte von Rädern bestimmen, das Versagen von Einzelteilen rekonstruieren oder den Schaden von Unfällen einordnen konnten.
„Wir waren ursprünglich für Gerichte und Versicherungen tätig“, blickt der Geschäftsführer der Zedler-Gruppe auf die Anfänge zurück. „Dabei haben wir viel gelernt. Wir kommen aus der Praxis, setzen unsere eigene Technik ein und kennen uns bestens mit der gesetzlichen Lage aus – diesen Dreiklang gibt es sonst in dieser Form nicht.“ Heute sei das Institut für den globalen Markt tätig und arbeite mit Herstellern auf vier Kontinenten zusammen. Mit Fug und Recht lässt sich also behaupten, dass in Eglosheim die Fahrradwelt auf dem Prüfstand steht.
Zedler setzt sich schon seit Mitte der 90er Jahre für die Aufstellung verbindlicher Normen im Zweiradbereich ein. Damals gab es nur wenige gesetzliche Vorgaben wie etwa im Automobilsektor. Heute sind dagegen auch die Regelungen für den Fahrradverkehr bis ins Detail ausformuliert. Zumindest was die Fahrradtechnik angeht, nimmt Deutschland laut Zedler im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Im Bundesgebiet seien zehn der weltweit etwa 100 Testlabore ansässig.
Auch in Ludwigsburg Luft nach oben
„Bei der Fahrradtechnik ist Deutschland extrem gut“, lobt Zedler. Ganz anders sehe es dagegen beim Thema Fahrradinfrastruktur aus. International, aber auch national, wie etwa der Blick nach Freiburg zeige. „Da muss in Deutschland noch viel passieren“, meint der Geschäftsführer. „Auch in Ludwigsburg, das ja keine besonders fahrradfreundliche Stadt ist. Immerhin hat sich schon etwas getan. Als ich hierherkam, standen noch Autos auf dem Marktplatz.“
Letztendlich müsse das Bewusstsein dafür wachsen, dass das Fahrrad kein Problem, sondern ein Beitrag zu einer lebenswerteren Stadt sei. Zedler: „Das betrifft viele unterschiedliche Bereiche, von der Verkehrsbelastung über die Gesundheit und Sicherheit bis hin zu Emissionen und Lärmbeeinträchtigungen.“
Autor: Frank Klein
Fotos: Andreas Becker