Alles gut?
Eigentlich könnten wir uns entspannt zurücklehnen. Die von uns betreuten Firmen haben in den Bereichen, in denen wir sie unterstützt haben, in vorderster Linie abgeschnitten. Auch der Testsieger prüft in unserem Labor.
Dennoch halten wir das Verhalten der StiWa zusammen mit dem ADAC für absolut inakzeptabel.
Die Ergebnisse des neusten Pedelec-Tests sind teils erschreckend. Hersteller wie Prüflabore tappen im Dunkeln, wenn es um die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse geht. Eine denkbare Variante damit umzugehen ist, die Sache einfach auszusitzen.
Was jedoch, wenn die Ergebnisse der Stiftung Warentest und des ADAC zutreffen?Was, wenn tatsächlich viele Pedelecs so gefährlich sind?
Pedelecs sind aufgrund mehrerer Faktoren, z.B. dem höheren Gewicht und der höheren Geschwindigkeit, zweifellos höher belastet als übliche Trekkingräder. Noch sind die meisten Pedelecs erst kurz auf dem Markt; Ermüdungsschäden, auch Dauerbrüche genannt, liegen aufgrund der kurzen Nutzungsdauer möglicherweise noch in der Zukunft.
Das Prozedere
Aushängeschild und zugleich Aufhänger für die kollektive Branchenschelte sind Betriebfestigkeitstests und Tests zur EMV. Seit Jahren rühmt sich die StiWa damit, anhand von Betrieblasten-Nachfahrversuchen, der höchsten Evolutionsstufe der Ermüdungsprüfungen, die Lebensdauer von Fahrrädern zu prüfen. Basierend auf eigens im Auftrag der StiWa durchgeführten Realdaten-Erfassungen trauen sich die Berliner Warentester sogar, für die Ergebnisse der Prüfungen eine Kilometerleistung von 20.000 km anzugeben.
Brüche während einer so kurzen Laufleistung wären tatsächlich ein Desaster. Daher die Fragen:
Ist die Prüfung wirklich realitätsnah oder sind einige Produkte so schwach?
Wurden nur Realdaten erfasst oder auch Benchmarking mit bewährten Produkten und bekannt schwachen Produkten vor den Tests durchgeführt?
Daher: Ist der Test valide?
Die Ergebnisse
Auch ohne die Testkriterien und Prüfbedingungen genau zu kennen, sind einige Ergebnisse in den Testbriefen erklärungsbedürftig. Obwohl nur ein Hersteller hydraulische Felgenbremsen anbietet (Magura HS), variieren die Bremsleistungen im Testfeld von „sehr gut“ bis lediglich „ausreichend“. Denkbare Ursachen könnten allenfalls verschieden lange Bremshebel und zusätzlich montierte Brakebooster sein. Dennoch: einen so großen Unterschied lassen, neben dem immer gleichen Bremsen, die durchgängig vorhandenen Aluminiumfelgen mit überdrehter Felgenflanke nicht erwarten.
Die EMV-Ergebnisse des Bosch-Systems variieren von „befriedigend“ bis „mangelhaft“. Die großen Unterschiede müssen aufgeklärt werden, denn bei Bosch ist das Komplettsystem aus Akku, Antrieb, Kabelstrang und HMI, anders als bei einigen Mitbewerbern, nicht variabel. Das beschriebene Abschalten durch Störungen von außen ist uns aus dem Alltagsbetrieb nicht bekannt.
Letztes Beispiel für notwendige Transparenz ist die bestbenotete Verarbeitungsqualität des sehr preisgünstigen Fischer Pedelecs. Warum hier ein „sehr gut“ vergeben wurde und bei den Modellen von Stevens, Kettler, Hercules, Victoria oder KTM nur ein „befriedigend“, interessiert sicher nicht nur die Qualitätsmanager der Hersteller.
Die Schwächen:
Einerseits urteilt die StiWa zusammen mit dem ADAC hart, andererseits wird einem tatsächlichen Schwachpunkt vieler aktueller Pedelecs dagegen wenig Beachtung geschenkt. Gerade viele Tiefeinsteiger-Modelle weisen ein gefährlich instabiles Fahrverhalten auf. Bedingt durch nicht ganz ausgereifte Rahmenkonstruktionen und einen veränderten Schwerpunkt schaukeln sich die Räder gerne auf. Die Hand heraus zu halten um einen Fahrrichtungswechsel anzuzeigen, wird da schon zum Risiko.
Fazit:
Vor gut drei Jahren hat der sich gerade wieder mit seiner Kollektivschelte auf die Fahrradindustrie profilierende Testleiter der StiWa, Dr. Holger Brackemann, auf dem Vivavelo-Kongress in Berlin auf dem Podium zugesagt, die Kriterien transparent zu machen und besser zusammenzuarbeiten. Gehalten hat die StiWa dieses Versprechen jedoch bis dato nicht.
StiWa und ADAC urteilen hart und stehen gleichzeitig inhaltlich teils auf dünnem Eis.
Die Verweigerungshaltung, die Prüfkriterien transparent zu machen, führt dazu, dass engagierte Firmen nach dem vielleicht neuesten Stand der Prüftechnik testen können. Firmen, die bisher Defizite beim Prüfen haben, werden durch den Gedanken, das Soll so oder so nicht erfüllen zu können, keinesfalls motiviert, an der Produkthaltbarkeit und damit an der Sicherheit zu arbeiten.
Nur wenn die StiWa und der ADAC endlich nicht mehr mauern, werden die Warentester ihrem ureigenen Auftrag gerecht. Wir sind zum Austausch bereit.
Dipl.-Ing. Dirk Zedler
Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Fahrräder (IHK Stuttgart)
Geschäftsführer Zedler – Institut für Fahrradtechnik und -Sicherheit GmbH