Und täglich grüßt das Murmeltier – nicht ganz so häufig wie im Film, doch regelmäßig wiederholt sich ein Schauspiel: Die Stiftung Warentest testet Fahrräder, in diesem Fall Pedelecs, nach eigenen und nicht bekannten Kriterien.
Die Nachricht über versagendes Material und schlechte Produkte wird breit gestreut und verbreitet sich wie ein Lauffeuer in Medien, die sonst dem Fahrrad eher wenig Beachtung schenken. Millionen Menschen wird das Fahrrad negativ ins Bewusstsein gebracht. Der Imageschaden für das Fahrrad / Pedelec im Gesamten und die Fahrradhersteller ist enorm. Fahrradhersteller und Branchenverbände schreien auf und versuchen zu retten, was zu retten ist.
Wir hingegen könnten uns eigentlich entspannt zurücklehnen.
Die von uns betreuten Firmen haben in den Bereichen, in denen wir sie unterstützt haben, in vorderster Linie abgeschnitten. Auch der Testsieger prüft in unserem Labor.
Dennoch halten wir das Verhalten der Stiftung Warentest zusammen mit dem ADAC für absolut inakzeptabel.
Die Ergebnisse des neusten Pedelec-Tests sind teils erschreckend. Hersteller wie Prüflabore tappen im Dunkeln, wenn es um die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse geht. Eine denkbare Variante damit umzugehen ist, die Sache einfach auszusitzen.
Was jedoch, wenn die Ergebnisse der Stiftung Warentest und des ADAC zutreffen?
Was, wenn tatsächlich viele Pedelecs so gefährlich sind?
Pedelecs sind aufgrund mehrerer Faktoren, z.B. dem höheren Gewicht und der höheren Geschwindigkeit, zweifellos höher belastet als übliche Trekkingräder. Noch sind die meisten Pedelecs erst kurz auf dem Markt; Ermüdungsschäden, auch Dauerbrüche genannt, liegen aufgrund der kurzen Nutzungsdauer möglicherweise noch in der Zukunft.
Das Prozedere
Aushängeschild und zugleich Aufhänger für die kollektive Branchenschelte sind Betriebfestigkeitstests und Tests zur EMV. Seit Jahren rühmt sich die Stiftung Warentest damit, anhand von Betrieblastennachfahrversuchen, der höchsten Evolutionsstufe der Ermüdungsprüfungen, die Lebensdauer von Fahrrädern zu prüfen. Basierend auf eigens im Auftrag der Stiftung Warentest durchgeführten Realdaten-Erfassungen trauen sich die Berliner Warentester sogar, für die Ergebnisse der Prüfungen eine Kilometerleistung von 20.000 km anzugeben.
Brüche während einer so kurzen Laufleistung wären tatsächlich ein Desaster. Daher die Fragen: Ist die Prüfung wirklich realitätsnah oder sind einige Produkte so schwach?
Wurden nur Realdaten erfasst oder auch Benchmarking mit bewährten Produkten und bekannt schwachen Produkten vor den Tests durchgeführt? Daher: Ist der Test valide?
Die Ergebnisse
Auch ohne die Testkriterien und Prüfbedingungen genau zu kennen, sind einige Ergebnisse in den Testbriefen erklärungsbedürftig. Obwohl nur ein Hersteller hydraulische Felgenbremsen anbietet (Magura HS), variieren die Bremsleistungen im Testfeld von "sehr gut" bis lediglich "ausreichend". Denkbare Ursachen könnten allenfalls verschieden lange Bremshebel und zusätzlich montierte Brakebooster sein. Dennoch: einen so großen Unterschied lassen, neben dem immer gleichen Bremsen, die durchgängig vorhandenen Aluminiumfelgen mit überdrehter Felgenflanke nicht erwarten.
Die EMV-Ergebnisse des Bosch-Systems variieren von "befriedigend" bis "mangelhaft". Die großen Unterschiede müssen aufgeklärt werden, denn bei Bosch ist das Komplettsystem aus Akku, Antrieb, Kabelstrang und HMI, anders als bei einigen Mitbewerbern, nicht variabel. Das beschriebene Abschalten durch Störungen von außen ist uns aus dem Alltagsbetrieb nicht bekannt.
Letztes Beispiel für notwendige Transparenz ist die bestbenotete Verarbeitungsqualität des sehr preisgünstigen Fischer Pedelecs. Warum hier ein "sehr gut" vergeben wurde und bei den Modellen von Stevens, Kettler, Hercules, Victoria oder KTM nur ein "befriedigend", interessiert sicher nicht nur die Qualitätsmanager der Hersteller.
Die Schwächen
Einerseits urteilt die Stiftung Warentest zusammen mit dem ADAC hart, andererseits wird einem tatsächlichen Schwachpunkt vieler aktueller Pedelecs dagegen wenig Beachtung geschenkt. Gerade viele Tiefeinsteiger weisen ein gefährlich instabiles Fahrverhalten auf. Bedingt durch nicht ganz ausgereifte Rahmenkonstruktionen und einen veränderten Schwerpunkt schaukeln sich die Räder gerne auf. Die Hand heraus zu halten, um einen Fahrrichtungswechsel anzuzeigen, wird da schon zum Risiko.
Fazit:
Vor gut drei Jahren hat der sich gerade wieder mit seiner Kollektivschelte auf die Fahrradindustrie profilierende Testleiter der Stiftung Warentest, Dr. Holger Brackemann, auf dem Vivavelo-Kongress in Berlin auf dem Podium zugesagt, die Kriterien transparent zu machen und besser zusammenzuarbeiten. Gehalten hat die Stiftung Warentest dieses Versprechen jedoch bis dato nicht.
Stiftung Warentest und ADAC urteilen hart und stehen gleichzeitig inhaltlich teils auf dünnem Eis. Die Verweigerungshaltung, die Prüfkriterien transparent zu machen, führt dazu, dass engagierte Firmen nach dem vielleicht neuesten Stand der Prüftechnik testen können. Firmen, die bisher Defizite beim Prüfen haben, werden durch den Gedanken, das Soll so oder so nicht erfüllen zu können, keinesfalls motiviert, an der Produkthaltbarkeit und damit an der Sicherheit zu arbeiten.
Nur wenn die Stiftung Warentest und der ADAC endlich nicht mehr mauern, werden die Warentester ihrem ureigenen Auftrag gerecht. Wir sind nach wie vor zum Austausch bereit.