Cargobikes – eine Erfolgsgeschichte ohne Schattenseiten?

Die Zahl der verkauften und auch auf öffentlichen Straßen gefahrenen Lastenräder steigt rasant. Welche Erkenntnisse alle Händler und Hersteller aus den ersten Rückrufen und weiteren Prüfungen von Autozeitschriften und Automobil-Clubs gewinnen können.

Es ist im Straßenbild nicht mehr zu übersehen: Die Nachfrage nach Lastenrädern ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Waren es beispielsweise nach den Angaben des Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV) in Deutschland im Jahr 2018 rund 60.000 (39.200 mit „E“ und 20.900 ohne „E“), stieg die Zahl in 2020 um

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© Zedler-Institut, Lastenrad auf dem Prüfstand

72 % auf 103.200 (78.000 mit „E“ und 25.200 ohne „E“), um im vergangenen Jahr nochmals um 62 % auf 167.000 (120.000 mit „E“ und 47.000 ohne „E“) zuzulegen.

Dabei zeigt das Straßenbild, dass das Genre immer bunter wird. Neben den schon als klassisch zu bezeichnenden Modellen mit zwei Rädern und einer Ladefläche vor dem Fahrer, gibt es zunehmend neue und interessante Varianten. Zwei Räder vorne und eins hinten oder umgekehrt, mit und ohne Neigetechnik, vierrädrige Varianten mit Ladefläche oder Cargoboxen-Systemen, der Fantasie sind derzeit keine Grenzen gesetzt.

Der Begriff Lastenrad trifft es schon lange nicht mehr, denn im privaten Bereich werden nach unserer Beobachtung überwiegend Kinder befördert. Beim Transport von Kindern, als per Definition einer der schützenswertesten Gruppen der Bevölkerung, haben alle dabei involvierten Parteien, von der Konstruktion, über den Vertrieb bis hin zum Kunden, besondere Sorgfaltspflicht. Da mutet es geradezu verwegen an, dass die mit am meisten verkauften Modelle mit schwachen (Trommel-)Bremsen und Holzkisten zum Kindertransport daherkommen. Und solche Hersteller werben mithin um Kundschaft mit mehreren Kindern in der Box, die unangeschnallt weit über die Ladebordwand hinaushängen und deren Hände in die Speichen der Räder zu gelangen drohen.

Gerade diese Modelle erzürnen viele Akteure die Automobilbranche und daher macht diese immer wieder gegen die aufstrebende Fahrradgattung Front. Aus deren Sicht unternehmen sie bei ihren eigenen Produkten erhebliche Anstrengungen, um Kinder bei Unfällen zu schützen und im Umkehrschluss gefährdet die Fahrradbranche geradezu fahrlässig die Kleinen. Was die Autolobbyisten dabei gänzlich außer Acht lassen ist, dass die eigentliche Gefahr für Kinder auf der Straße nicht vom Fahrrad, sondern von den Kraftfahrzeugen ausgeht.

Statistisch betrachtet sind die Unfälle glücklicherweise noch vernachlässigbar. Dennoch ist jede schwere Unfallfolge eine zu viel und reißerische Crashtests, wie sie beispielsweise von DEKRA und ADAC durchgeführt wurden, schaden dem Image der Transporträder erheblich. Als Fahrradhersteller in der Konstruktion, aber auch als Berater gegenüber dem Kunden sollten wir die Erkenntnisse nutzen und zunehmend auf aktive Eigenschaften wie helles Tagfahrlicht, starke (Scheiben-)Bremsen und passive Sicherheitseinrichtungen, wie solide Sitzbänke mit mindestens 3- besser 5-Punkt-Gurten und Kopfstützen hinarbeiten und beraten. Wenn wir als Branche ehrlich zu uns selbst sind, sind Kindersitze und Kinderanhänger in passiver Sicherheit schon seit vielen Jahren deutlich weiter.

Transportbike-Standard DIN 79010

Vom internationalen Standpunkt aus gesehen existiert aktuell keine EN- oder ISO-Norm, auf die man die Sicherheit eines Transportrades abstellen könnte. Was es gibt, ist die in Deutschland erarbeitete DIN 79010:2020-02. Diese stellt Anforderungen an die Betriebsfestigkeit und verweist, was den Transport von Passagieren angeht, auf die Norm DIN 15918 für Kinderanhänger. Lesen und, noch besser, umsetzen lohnt – versprochen!

Wie bei den anderen Fahrrad- und E-Bike-Kategorien auch, bietet die Norm ein Mindestmaß an Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit. Mehr aber leider nicht.

Gerade die diversifizierten Modelle können und sind daher nicht ausreichend abgebildet. Ein starkes Wachstumsfeld sind beispielsweise solche Modelle, die vorne ein normales Fahrrad und hinten verlängert konstruiert sind – sogenannte Long Tails. An den großzügigen Gepäckträgern können geräumige Packtaschen eingehängt werden, auf der Sitzbank können ein oder zwei Kinder mitgenommen werden oder man transportiert von jedem etwas.

Fahrräder, die vorne kurz und hinten lang sind, fahren sich zumindest unbeladen deutlich näher am „normalen“ Fahrrad und nehmen weniger Parkfläche ein, im Vergleich zu den weit verbreiteten Transporträdern mit Ladefläche vorn, oft Long John genannt. Dennoch sind diese nicht ohne Tücken.

Versagen in der Nutzung, trotz erfolgreicher DIN 79010-Tests

Ein Bruch des zentralen Rohres während der Fahrt, bei der Mutter und Kind zu Boden gehen, ist eine schlimme Vorstellung – die leider Realität wurde.

Einige der im Feld, d.h. in der Benutzung, aufgetretenen Schadenfälle erlitten Transporträder, die seitens der Hersteller mit den Anforderungen der DIN 79010 erfolgreich geprüft wurden.

Auf der Suche nach den Ursachen, fanden unsere Sachverständigen im Fahrbetrieb auftretende, schädigende Belastungen, die von den Norm-Prüfungen nicht reproduziert werden. Im Ergebnis konnten wir nur mit eigens für solche Lastenräder entwickelten Prüfsystemen, die aufgetretenen Feldversagen reproduzieren.

4 dynamische Prüfungen sieht die Norm bei einem einspurigen Lastenrad für den Rahmen vor. Unserem Erfahrungsschatz nach, können wir die bis dato bekannten Schadenmechanismen bei Long Tails nur dann verlässlich ausschließen, wenn wir 42 Prüfungen in 11 verschiedenen Lastarten durchführen.

Im Ergebnis ist der Beweis bereits jetzt angetreten, dass die Vielfalt der Transporträder nebst den vorhandenen, brillanten Entwicklern ebenso engagierte Prüfer erfordert, die in Ergänzung zu den Normanforderungen weitere Lastarten, d.h. Prüfszenarien, hinzuaddieren und die aus der Norm bekannten Lastarten auf die speziellen Bedürfnisse jeder Transportrad-Kategorie bzw. Machart anpassen. Oder anders gesagt: Long John und Long Tail können prüftechnisch nicht über einen Kamm geschoren werden – sonst kann es zum Versagen kommen.

Freuen wir uns, dass die Fahrradwelt tagtäglich bunter wird. Seien wir aber wachsam und professionell, um nur Transporträder in den Verkehr zu bringen, wenn diese in allen Belangen sicher sind. So bieten wir der Autolobby weniger Angriffspunkte, um Transporträder schlechter aussehen zu lassen, als sie es tatsächlich sind. Händler sind gut beraten, wenn Sie beim Einkauf nachfragen, ob und wie die Lastenräder geprüft wurden.

 

Lesen Sie den Artikel in der publizierten englischen Version.

Weniger schlecht ist nicht gut...

© Zedler-Institut, OB Dr. Matthias Knecht und Dirk Zedler
… war der Leitsatz des Abends von Prof. Michael Braungart, dem Mitbegründer des Cradle to Cradle Konzepts.
 
Als Gast beim Treffen des Unternehmensnetzwerks Klimabündnis Ludwigsburg, das vor ein paar Tagen im Veranstaltungsbereich des Zedler-Instituts stattfand, begeisterte er die Anwesenden mit einem eloquent vorgetragenen Auszug zum Thema Cradle to Cradle.
 
Prof. Braungart lieferte
 
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die Theorie und innovative Denkanstöße, Dirk Zedler untermauerte diese mit Beispielen aus unserer alltäglichen Unternehmens-Praxis: Das zertifiziert klimapositive Firmengebäude und der klimaneutrale Geschäftsbetrieb bieten, anhand von realen Messergebnissen zur Ressourceneffizienz, ausreichend Stoff zum Erzählen.
 
Nach einer Frage-Antwort-Runde, die laut den Anwesenden gerne noch länger hätte dauern können, beendete Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht die gelungene Veranstaltung mit einem Aufruf zur Zusammenarbeit und einem großen Dank an Prof. Braungart und Herrn Zedler.

 

Modulare Risikobeurteilungen für Pedelec- / E-MTB- und Transportrad-Hersteller

Pedelecs fallen unter die Maschinenrichtlinie, das ist unter Fahrrad-Herstellern allgemein bekannt. Weniger geläufig ist, dass eine Risikobeurteilung gemäß EN ISO 12100:2010 als Nachweis für die Maschinensicherheit vorgeschrieben ist.
 
Schon seit rund einem Jahrzehnt erarbeitet das Zedler-Institut kundenspezifische Risikobeurteilungen. Diese haben selbst in Krisensituationen Hersteller aus den „Klauen“ der
 
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Marktaufsichtbehörden befreit.
 
Jetzt haben wir unser Risk Assessment Portfolio erweitert und bieten modulare Risikobeurteilungen zur eigenständigen Anpassung für beliebig viele Modelle an.
 
Das Grundmodul betrachtet die Risiken eines E-City-/Trekking-Fahrrades, das über den Fahrrad-Fachhändler vertrieben wird.
© Zedler-Institut
Darauf aufbauend können Sie folgende Zusatzmodule wählen:
  • E-MTB
  • E-Rennrad/E-Gravelbike
  • E-Transport-Fahrrad
  • E-Faltrad
  • E-Tandem
  • Direktvertrieb (Onlinehandel)
Die Risikobeurteilung mit den von Ihnen gewählten Modulen arbeiten wir entweder direkt für Sie aus, sodass Sie am Ende eine komplett fertige Risikobeurteilung für Ihr Pedelec-Modell haben.
 
Oder Sie erwerben ein offenes System, das Sie selbst an Ihre verschiedenen Modelle anpassen können. Für dieses System bieten wir eine einleitende Schulung an, um Ihnen das Arbeiten mit der Risikobeurteilung des Zedler-Instituts zu erleichtern.
 
Übrigens: Wir begleiten Sie gerne im Fall des Falles mit unserer langjährigen Erfahrung bei Ihrer Rückrufaktion!