angehoben werden, wohlgemerkt ohne zu wissen, wann die Ware kommt und ob diese dann noch zeitnah abfließen wird. Zu guter Letzt ist der Aufwand der Bearbeitung von Leasinganträgen oft eine zeitraubende Wissenschaft für sich. Neben all diesen Alltagssorgen wird es daher bei einigen Händlern hinsichtlich der Liquidität sehr eng.
So wie sich die Lage aktuell darstellt, ist mit einer Beruhigung der Fahrradmärkte in den branchenrelevanten Märkten kaum vor Mitte 2024 zu rechnen. Daher ist weitermachen wie bisher, für viele, vermutlich die meisten Fahrrad-Fachhändler im Grunde keine zukunftsträchtige Option.
Nicht wenige Branchenkenner sehen die Fahrradwirtschaft am Beginn eines Umbruchs, dessen gesamtes Ausmaß sich nur erahnen lässt. Nach dem Umsatzaufschwung durch E-Bikes, nach den höheren Umsätzen durch die Pandemie, kommt sehr wahrscheinlich eine Bereinigung des Marktes, sprich es werden in absehbarer Zeit viele Händler Ihre Ladengeschäfte zuschließen müssen.
Daher ist es trotz der hohen Arbeitsbelastung allerhöchste Zeit, grundsätzliche, schlecht laufende Themen mit Nachdruck anzupacken.
Den Werkstattstau auflösen
Positiv könnte man sehen, dass die Werkstätten gut ausgelastet sind. Denkt man aber einen Schritt weiter, ist das potenziell eher geschäftsschädigend. Die Kunden müssen Wartezeiten von mehreren Wochen akzeptieren. Statt Spaß mit dem Fahrrad zu haben, steht dieses nur herum. Das sorgt für Verdruss und es steigt die Gefahr, den Kunden zu verlieren. Fahrräder anderer Händler oder Vertriebswege werden grundsätzlich abgelehnt. Ruckzuck gilt man in der Gemeinde oder der Stadt als arrogant und die Chance, einen Kunden durch gute Arbeit zu gewinnen, wird vertan.
Generell werden Wartezeiten immer weniger toleriert, man kennt es ja von sich selbst. Und wenn wir noch einmal ehrlich zu uns selbst sind, dann sind viele Radschmerzen der Kunden in wenigen Minuten zu lösen, dann rollt das Rad wieder.
Daher ist es einen Versuch wert, die Möglichkeit von Schnell-Reparaturen anzubieten. Ähnlich wie es manche erfolgreichen Verbrauchermärkte anbieten, Kunden mit wenigen Artikeln an einer speziellen Kasse abfertigen und in Analogie zu der Drei-Minuten-Regel, die Manager gerne beherzigen. Diese am eigenen Leib erfolgreich angewandte Methode besagt, dass eine neue Aufgabe, sofort erledigt werden soll, wenn diese nicht länger als eben jene drei Minuten dauert. Legt man dieselbe Aufgabe auf den Stapel, werden typischerweise durch wiederholtes in die Hand nehmen und darüber nachdenken schnell 10 oder gar 15 Minuten daraus.
Für uns bedeutet dies, dass ein platter Reifen ohne großes Aufhebens sofort einen neuen Schlauch bekommen muss. In der Zeit, die es oft braucht, mit dem Kunden zu diskutieren, dass und warum keine Zeit ist, ist das auch fast schon erledigt.
An der Kasse wird dem Kunden dann „en passant“ alles erklärt und dokumentiert, was sonst noch auffällig war und ein ausführlicher Inspektions- bzw. Reparaturtermin vereinbart.
Die Werkstatt effizienter gestalten
Alles was es für einen solchen Schnellreparaturbereich braucht, ist ein stets freier Montageständer, bei dem in Griffnähe das rudimentäre Werkzeug und eine Reifenbefüllpistole mit Druckluft angebracht sind. Überlegenswert ist auch ein Zentrierständer mit Messuhren, um schnell unrunden Lauf herauszentrieren zu können. Außerdem lagern dort die gängigsten Verschleißteile, wie Reifen, Schläuche und Bremsbeläge.
Auch das kann man von der Supermarktkasse lernen, denn genau dort hängen die Mitnahmeartikel, die sogenannten Schnelldreher.
Dieser Bereich kann in Abhängigkeit der Räumlichkeiten auch die attraktive Anlaufstelle werden, an dem die größeren Inspektionen angenommen werden. Dort wird beim zuvor per Mail oder Telefon vereinbarten Anlieferungstermin das Fahrrad mit dem Kunden besprochen und durchgecheckt, um für intern das Arbeitsvolumen zu planen und dem Kunden schon eine Indikation mitzugeben, welche Kosten er für die gesamte Instandsetzung zu erwarten hat.
Die Preise anheben
Nicht wenige Fahrradhändler arbeiten noch mit Stundensätzen deutlich unter 60 Euro brutto. Damit kann keine Werkstatt mit dem ganzen Bestand an Werkzeugen, mit dem Auslesecomputer für E-Bikes, mit den elektrischen oder pneumatischen Montageständern, mit der ganzen benötigten Fläche kostendeckend betrieben werden.
Trotz unserer Branchenkompetenz in Carbon, trotz unserem Vorsprung in der Elektromobilität fehlt es vielen von uns an Selbstbewusstsein und die meisten verkaufen sich sehr deutlich unter Wert.
Im KFZ-Bereich sind in Deutschland in Marken- bzw. Vertragswerkstätten 120 Euro brutto völlig normal. Im Porschezentrum darf es auch gerne doppelt so viel sein – und dort wird überwiegend „nur“ an Stahl und Alu geschraubt.
Was spricht also dagegen, zumindest im urbanen Raum dreistellig pro Stunde abzurechnen?
Noch unsicher? Der Durchschnittspreis der Fahrradverkäufe hat sich, über den gesamten Markt gesehen, in den vergangenen 10 Jahren rund verdreifacht. Mehr Technik, mehr Funktion und im Ergebnis mehr Fahrfreude sind hierfür die Gründe. Die Werkstatt-Verrechnungssätze sind dagegen deutlich weniger, d.h. um grob geschätzt durchschnittlich 50 %, gestiegen. Das passt nicht zusammen.
Höhere Erträge in der Werkstatt bringen im Ergebnis auch die Möglichkeit, höhere Gehälter zu zahlen. Fachkräfte können dann neben der coolen Branche durch attraktive Entlohnung gelockt werden.
Schnell – Qualitativ gut – Preisgünstig…wähle zwei davon!
Der im Kern überall hin übertragbare Spruch ist bei der derzeitigen Situation in unserer Branche weit weg von der Realität. In der Wahrnehmung vieler Kunden erfüllen viele Fachhändler vor Ort derzeit nicht einmal einen der drei Punkte.
Frust im Service kann verhindern, dass nach dem gigantischen Verkaufserfolg der vergangenen drei Verkaufssaisons der dringend notwendige Mobilitätswandel einsetzt. Ein Fahrrad, das nicht rollt, bringt den Nutzer schlicht nicht zur Arbeit oder in den Biergarten. Folgekäufe in der Zukunft werden so unwahrscheinlich.
Daher ist der Wandel der Werkstattkultur zwingend für das Überleben der Fachhändler vor Ort, denn Verkaufen können die Internetanbieter besser und die Kunden murksen künftig noch mehr anhand von Youtube-Videos an ihren Fahrrädern herum.
Lesen Sie den Artikel in der publizierten englischen Version.