Warum Fahrradgutachten so aufwändig sind

GDFS Fahrrad Gutachten

Für den notwendigen hohen Zeiteinsatz gibt es gleich mehrere Gründe. Diese haben meist damit zu tun, dass die Fahrradindustrie anders organisiert ist als beispielsweise die Automobilbranche.

Das Gutachtenwesen in der Fahrradindustrie ist vergleichsweise jung: Über ganz Deutschland verstreut starteten Anfang der 1990er vier Enthusiasten, um die Schadenregulierung bei Fahrrädern auf ein besseres Niveau zu heben.

Rasanter Technikwandel – schnelle Modellzyklen

Seither hat sich viel getan: Die Technik entwickelt sich nicht mehr wie in den Jahrzehnten davor gemächlich, sondern rasant weiter. Fahrräder sind haltbarer und benutzerfreundlicher geworden, aber auch komplexer und teurer. Durch das Pedelec erlebt die Fahrradindustrie gerade einen Nachfrageboom, mit dem auch eine Professionalisierung der Betriebsprozesse einhergeht. Was sich dagegen nicht geändert hat, ist der sehr hohe Aufwand bei der Gutachtenerstellung und die geringe Anzahl an Spezialisten auf diesem Gebiet.

Gutachten „von Hand“ – bei über 400 Marken

Nach wie vor entsteht jedes Gutachten individuell, sozusagen per Hand. Anders als im Kfz-Bereich kann nicht auf Datenbanken wie Audatex, Schwacke oder DAT zurückgegriffen werden. Die Sachverständigen sind auf ein eigenes Archiv an Produktunterlagen angewiesen. Dieses Archiv zu pflegen und zu überblicken ist eine Herkulesaufgabe: In Deutschland sind rund 400 Fahrradmarken aktiv. Regelmäßig kommen neue Anbieter hinzu und andere verschwinden wieder, teils nach Jahrzehnten, teils nach nur einem einzigen Modellzyklus. Viele dieser Marken erneuern ihr komplettes Angebot jedes Jahr. Dabei werden Design, Ausstattung und Preise von bis zu 250 Modellen geändert.

Kaum Anhaltspunkte aus der Gerichtspraxis

Gutachten werden saisonal stark schwankend gebraucht.

Erschwerend kommt hinzu, dass es als Fundament der Beurteilung wenige bei Gericht erstrittene Urteile gibt. Gründe hierfür lassen sich nur erahnen, vermutlich sind die Streitwerte schlicht zu gering. Im Ergebnis sind Fahrradgutachten viel aufwändiger als vergleichbare Gutachten über ein Kfz und im Verhältnis zum Wert des Fahrzeugs auch teurer.

Saisongeschäft

Nicht zuletzt spielt auch der Faktor Zeit mit: Fahrräder werden saisonal stark schwankend gebraucht. Als Folge davon häufen sich Haftpflicht- und Diebstahlschäden im Frühjahr und im Sommer, wenn viele Freizeit- und Sporträder aus dem Winterschlaf geweckt werden. Während der Fahrradsaison werden daher bei der GDFS täglich mehr Gutachten in Auftrag gegeben, als das Team bearbeiten kann. Diese Spitzen dauern je nach Wetter etwa von Mai bis Dezember. Danach fällt der Auftragseingang je nach Witterung wieder um bis zu 80 Prozent. Beinahe tagesaktuell erstellte Gutachten, wie sie während der Saison unmöglich geleistet werden können, lassen sich von Januar bis April gut ausführen.

Zeitfaktor – unvollständige Unterlagen

Wie schnell wir ein Gutachten erstellen können, hängt aber häufig auch vom jeweiligen Fall und den Unterlagen ab, die wir zur Beurteilung erhalten. Was Sie beitragen können, um die Arbeitsprozesse zu beschleunigen, haben wir in einigen Tipps nachfolgend für Sie zusammengestellt.

Fünf Tipps für schnelle Ergebnisse

Zur Regulierung bzw. Urteilsfindung müssen Gutachten nicht nur sachlich und präzise sein. Oft muss die Einschätzung der Experten auch schnell vorliegen, weil sie entscheidend ist für den weiteren Verlauf des Falls. Als Auftraggeber können Sie wesentlich dazu beitragen, dass Ihnen die Ergebnisse rasch vorliegen.

Folgende fünf Tipps und unsere Checkliste helfen Ihnen, das angeforderte Gutachten rasch zu erhalten:

Vollständige Unterlagen

Bitte spezifizieren Sie Ihren Auftrag genau. Reichen Sie alle Unterlagen ein, die für die Beurteilung notwendig sind. Bei Unfällen gehören dazu die Beschreibung des Unfallhergangs aller beteiligten Parteien sowie des Schadens und die polizeiliche Unfallaufnahme.

Bei Diebstählen sind es ein Nachweis über die Erstattung einer Diebstahlanzeige, Angaben zum Ort des Diebstahls, zu den angewendeten Sicherungsmaßnahmen sowie zu eventuellen Spuren, die am Tatort zurückgelassen wurden (z.B. geknackte Schlösser, abgebaute Komponenten etc.). In allen Fällen benötigen wir Kopien von Kaufquittungen, die den Schadenswert belegen und insbesondere Bilder des Fahrrads / Pedelecs sowie Detailfotos des Schadens.

Bei vielen Pedelecs (u.a. mit Antrieben von Bosch, Shimano, BionX) kann das Display abgezogen werden, wodurch die elektrische Unterstützung nicht mehr genutzt werden kann. Fordern Sie daher bei Elektrofahrrädern nicht nur die Schlüssel der verwendeten Schlösser, sondern auch das Display an und informieren Sie uns darüber, ob Sie diese Nachweise über den Diebstahlschutz erhalten haben.

Aussagekräftige Bilder

Damit wir uns ein umfassendes Bild des Schadens machen können, benötigen wir Fotos des Schadensobjekts, die den Zustand des Fahrrades oder E-Bikes möglichst kurz vor dem Schadensfall und – sofern das Fahrrad noch vorhanden ist – nach dem Schadensfall dokumentieren. Hilfreich sind Fotos des Objekts vor neutralem, hellem Hintergrund. Von kompletten Fahrrädern benötigen wir Bilder von links und rechts, die von einem Standpunkt direkt vor dem Rad auf derselben Höhe aufgenommen wurden. Detailbilder von Schäden sind am aussagekräftigsten, wenn sie aus mehreren Perspektiven aufgenommen wurden und möglichst scharf und gleichmäßig ausgeleuchtet sind. Bilder des Schadenortes helfen dem Gutachter, sich ein umfassendes Bild des Sachverhaltes zu machen.

Bei allen Motiven sind großformatige Bilder in digitaler Form (mind. 1000 x 1000 Pixel Abmessung oder 300 dpi Auflösung) in den Dateiformaten jpeg oder tiff ideal. Fotos in den Formaten PDF, Word oder BMP sind wegen der geringeren Bildqualität nur eingeschränkt aussagekräftig und daher wenig zweckdienlich.

Nachvollziehbare Beschreibungen

In den meisten Fällen lernen wir die geschädigte Person gerade erst kennen und wissen noch nichts darüber, wer mit dem Schadensfall zu tun hat. Beschreiben Sie deshalb im Schadensbericht alle relevanten Einzelheiten zum Schadensfall. Bei Unfällen ist dies die Zeit des Unfalls, die unmittelbare Umgebung, in der er passierte sowie alle am Unfall Beteiligten und Zeugen. Bei Mängeln und Diebstählen kann es wichtig sein, wann und wo Sie den Schaden festgestellt haben. Wurde das Fahrrad entwendet, benötigen wir Belege dazu, wo es abgestellt und mit welchen Schlössern es gesichert war.

Präzise Angaben

Lassen Sie sich vom Anspruchsteller oder Versicherungsnehmer für Ihren Bericht Details nennen, die das Alter, die Ausstattung und den Wert des Fahrrades oder Pedelecs genau beschreiben. Sind diese Angaben auf separaten Dokumenten (z.B. Kaufbelegen) festgehalten, bitten wir Sie um einen entsprechenden Verweis. Sowohl bei Unfällen als auch bei technischen Mängeln und Diebstählen sind Datum und Uhrzeit wichtig, zu denen der Schaden eintrat bzw. festgestellt wurde.

Direkte Kontakte

Führen Sie im Gutachten-Antrag Ihre eigenen Kontaktdaten (mit Durchwahl) auf und die Zeiten, zu denen wir Sie bei Rückfragen erreichen können. Auch die direkten Kontakte von Geschädigten sind nützlich, um beispielsweise weitere Angaben zum geschädigten Produkt oder zusätzliche Fotos direkt anfordern zu können. Dies tun wir selbstverständlich nur, wenn Sie uns dazu die Erlaubnis erteilen.

 

GDFS Gutachten / Kunden-Checkliste
Download


Damit sie den Überblick behalten, können Sie unsere
Checkliste für Gutachten als PDF-Datei herunterladen.

Ein Schelm der Böses denkt – oder in anderen Worten: über was sich der Fahrrad-Sachverständige so wundert

Mit dem Verkaufswert von Fahrrädern und Pedelecs steigt unserem Erfahrungshorizont nach auch das Risiko eines Versicherungsbetrugs. Oft lässt sich dieser nur schwer nachweisen. Es gibt aber Hinweise auf Ungereimtheiten, die auffällig oft wiederkehren. Wir kennen diese aus unserer langjährigen Gutachten-Tätigkeit und haben Tipps, wie Sie dies zusätzlich hinterfragen können.

Downhiller vor dem Supermarkt

Downhill-MTBs, Freerider und Dirtbikes sind spezielle Fahrräder für grobes Gelände, Tricks und weite Sprünge, die oft in so genannten Bikeparks gefahren werden. Nur eins mag man damit nicht: auf der Straße fahren. Dennoch werden diese Bikes auffällig häufig vor dem Supermarkt, der Tankstelle oder am Bahnhof entwendet.
Fakt ist, dass Räder dieser Art teilweise bereits nach einer Saison durch den harten Einsatz, durch gebrauchstypisch häufige Stürze weitgehend verschlissen sind. Umfangreiche Instandsetzungsarbeiten sind dann notwendig.

Akkus – 4 bis 8 Jahre Lebensdauer

An die drei Millionen als Fahrräder eingestufte Pedelecs, oft auch E-Bikes genannt, sind auf Deutschlands Straßen unterwegs, Tendenz steigend. Pedelecs werden vermehrt genutzt. Das zeigen Umfragen, aber auch die Erfahrungen der Hersteller aus dem Feld. Der Entwicklungsfortschritt bei Pedelecs ist auch heute noch Jahr für Jahr enorm.
Dennoch werden erstaunlicherweise vermehrt Pedelecs entwendet, die vier Jahre oder älter sind.
Fakt ist, dass Akkus von Pedelecs Verschleißteile sind, die je nach Nutzung und Pflege nach vier bis sechs Jahren so viel an Kapazität verloren haben, dass kaum mehr was geht in Bezug auf die mit Antriebsunterstützung zu absolvierende Fahrstrecke. Ein Akku-Neukauf steht dann an, bei marktüblichen Ersatzteilpreisen von 400 bis 800 Euro.

Schlösser – aber sicher

Nur wenige der vom statistischen Bundesamt geschätzten 80 Millionen Fahrräder in Deutschland wurden serienmäßig mit Schloss ausgeliefert. Schlösser gibt es von 5,00 bis ca. 150,00 Euro. Erstaunlicherweise seien bei den Aufträgen auf unseren Schreibtischen zum Diebstahlzeitpunkt meist die sichersten und teuersten Schlösser am Rad gewesen. In der Regel liegen dazu keine Kaufbelege vor.


Drei Tipps, um Licht ins Dunkel zu bringen:

1. Fordern Sie beide bzw. alle Schlüssel und den Kaufbeleg des laut Angabe verwendeten und geknackten Schlosses an.

2. Lassen Sie sich das Display des Pedelecs zusenden. Bei vielen Modellen kann dieses mit einem Handgriff abgezogen werden, so dass das Pedelec dann nicht mehr elektrisch fährt.

3. Fordern Sie bei alten Pedelecs den Nachweis des Kaufs eines Ersatzakkus an.