Medienberichte und Publikationen rund um Fahrräder, Pedelecs, Technik und Sicherheit

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Spiegel.de, 26.05.2022
Lesedauer 6:30 Minuten

Das Gangschaltungswunder aus Belgien

Nabe? Kette? Alles zusammen - Ein Start-up will einen Gamechanger für den Radsport erfunden haben: eine neuartige Mischung aus Ketten- und Nabenschaltung. Experten sind skeptisch, aber der Test läuft vielversprechend.

Für Technikfreaks, die sich mit Fahrradschaltungen befassen, wäre dies ein Knaller: 150 Millisekunden, einen Hauch länger als ein Wimpernschlag, benötigt das Planetengetriebe in der Hinterradnabe für den Gangwechsel. Das versichert Mathias Plouvier, Geschäftsführer beim belgischen Start-up Classified Cycling und spricht von der »derzeit effizientesten Antriebsnabe in der Fahrradbranche«. Eine Ansage, die ihm Fahrradexperten ohne unabhängige Prüfung erst einmal nicht abnehmen. Bislang galt als bauartbedingt typisch, dass der Gang mit vergleichsweise langer Verzögerung gewechselt wird.

Die sogenannte Powershift-Nabe, um die es geht, soll das ändern. Das Herzstück der Fahrradschaltung von Classified ist ein elektronisch gesteuertes Planetengetriebe in der Hinterradnabe. Das Getriebe virtualisiert den Umwerfer und macht ihn mitsamt dem zweiten Kettenblatt damit überflüssig. Der Umwerfer indes beschert dem Radrennsport noch immer die so notwendige Feinabstimmung der Gänge bei zugleich großer Übersetzungsbandbreite.

Doch der Umwerfer ist anfällig und provoziert immer wieder Schaltfehler. Abwürfe der Kette und deren Durchrutschen beim Antritt kommen vor. In die Geschichte eingegangen ist zum Beispiel ein Vorfall bei der Tour de France 2010, als dem luxemburgischen Radrennfahrer Andy Schleck die Kette absprang und der Spanier Alberto Contador dadurch das Gelbe Trikot erobern konnte. »Im Renneinsatz war der vordere Umwerfer für die zwei bis drei vorderen Kettenblätter immer ein Thema«, sagt Dirk Zedler, Geschäftsführer des Zedler-Instituts für Fahrradtechnik und -Sicherheit in Ludwigsburg.

Kettenabwürfe durch einen Umwerfer schließt das Classified-System aus. Wartungs- und verschleißarm sei der verkapselte virtuelle Umwerfer gegenüber der offen liegenden Mechanik der vorderen Schaltvorrichtung ohnehin, heißt es am Firmensitz im belgischen Turnhout. Was das System zur Hybridschaltung macht: Das Planetengetriebe teilt sich die Übersetzungsarbeit der Gangwechsel mit einem selbst entwickelten, passenden Ritzelpaket, auf dem ein herkömmliches Schaltwerk die Kette versetzt – Naben- und Kettenschaltung werden kombiniert.

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Kette schlägt Nabe

Eine Behauptung, die ADFC-Fachmann Roland Huhn kaum glauben kann. Die seit Jahren unangefochtene und in der Fachliteratur sogenannte »Königin der Nabenschaltungen«, die Rohloff 500/14, komme auf einen Wirkungsgrad von »besser als 90 Prozent« und damit an Kettenschaltungen nicht heran. Zudem sei die Kettenlinie »als mögliche Verlustquelle bei nur einem Kettenrad noch stärker verschoben als bei einem Zweifach-Kettenblatt« – wenn man dieses fachgerecht bediene: mit dem kleinen Kettenblatt die größeren Ritzel nutze und umgekehrt, also nicht »über Kreuz« schalte.

Auch Experte Dirk Zedler ist skeptisch: »Vollmundige Aussagen würde ich bis zum Beweisantritt mit Vorsicht genießen.« Getriebenaben seien bis dato bei allen Tests im Vergleich zu ordentlich gewarteten Kettenschaltungen ineffizienter gewesen. Daher seien auch alle Versuche, Getriebenaben im Sport zu etablieren, bisher gescheitert. Doch Plouvier hält dagegen: Schiefe Kettenlinien gehörten per se der Vergangenheit an, da das verbliebene vordere Kettenblatt so positioniert sei, dass man sowohl das größte als auch das kleinste Ritzel der Kassette problemlos erreichen könne. Hinzu kommt laut Classified, dass man die Nabe in der Praxis öfters nutzen werde, da sie so schnell sei – was das »Über Kreuz«-Schalten unwahrscheinlicher mache.


Und weil es kein kleines Kettenblatt mehr gibt, seien auch dessen Effizienzverluste getilgt: Rotiert die Kette auf einem kleinen Kettenblatt, ist die Kettenspannung höher, was zu mehr Reibungsverlusten führt. Dies entfällt beim Classified-System, sagt Plouvier. Zugleich wiege das System weniger als ein Standard-Zweifachsystem.

Über sieben Jahre haben die Entwickler von Classified Cycling an dem Powershift-System gearbeitet, eine »achtstellige Summe« in das Projekt gesteckt und etliche Patente erhalten. Federführend war Roëll van Druten, einst Chefingenieur bei Punch Powertrain, einem auf CVT- und Doppelkupplungsgetriebe spezialisierten belgischen Automobilzulieferer. Van Druten fungiert heute als Technischer Direktor bei Classified. Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass sich die Kerntechnologien des Antriebsstrangs am Fahrrad in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert haben, sagt Plouvier: »Vor dem Hintergrund eines Duopols – Shimano und Sram – und einer sehr starken Konkurrenz, die weltweit sehr gute Produkte herstellt, musste das Produkt absolut perfekt sein.«

Der Fahreindruck spricht dafür, dass was dran sein könnte an den Behauptungen von Classified. Wir konnten das System an einem Gravelbike von Ridley ausprobieren. Nahezu im gleichen Moment, in dem man den Hebel am Schalthebel am Lenker betätigt, ändert das Zweiganggetriebe über einen Funkempfänger rechts an der Achse die Übersetzung. Das funktioniert nahezu geräuschlos und auch unter Last brillant. Gibt man zum Beispiel an Steigungen viel Druck auf die Pedale, ist das virtuelle kleine Kettenblatt, das analog zu einer Kettenblattkombination von einer 1:1- zu einer 0,7:1-Übersetzung wechselt, schnell und ohne Murren aktiviert.

Das Schalten am Ritzel hinten fühlt sich indes unspektakulär gut und so geschmeidig an wie mit hochwertigen Kettenschaltungen von Shimano oder Sram. Dass Classified eine eigene Kassette entwickeln musste, die zur Nabe passt, scheint der Schaltpräzision und -geschwindigkeit der wahlweise mit dem Classified-System kombinierbaren Schaltwerke von Shimano, Sram oder Campagnolo keinen Abbruch zu tun. Ob das Gesamtsystem wie versprochen besonders verschleißarm ist, müsste ein Langzeittest ergeben. Auch »wie effizient das Nabengetriebe von Classified Cycling ist, vermag ich und vermag wohl niemand ohne solide Prüfung nicht zu sagen«, sagt Dirk Zedler.

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Autor: Stefan Weißenborn

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