Medienberichte und Publikationen rund um Fahrräder, Pedelecs, Technik und Sicherheit

Die häufigsten Sicherheitsrisiken, die uns in der täglichen Arbeit rund um Fahrrad-Sicherheit, -Technik und -Bedienungsanleitungen auffallen, publizieren wir auch in Artikeln in den führenden Fachmagazinen TOUR – Europas Rennrad-Magazin Nr. 1, BIKE – Das Mountainbike Magazin Europas Nr. 1 und E-Bike – Das Pedelec-Magazin, um diese für die Branche wichtigen Informationen einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Auch die Eurobike Show Daily, Messezeitschrift der jährlich stattfindenden Eurobike Show, gibt uns seit vielen Jahren die Möglichkeit, unsere Sicht auf wichtige Entwicklungen in der Fahrradbranche in ganzseitigen Artikeln auszuführen.

Darüber hinaus sprechen wir regelmäßig in unabhängigen Fachvorträgen über alle Bereiche der Fahrradtechnik und des Fahrradmarktes. Auch weitere Fach- bzw. Branchenzeitschriften sowie immer häufiger Radio und Fernsehen zitieren uns in ihren Medienberichten und zeigen uns, dass wir mit unseren Hinweisen genau richtig liegen. In der Rubrik AKTUELL erfahren Sie laufend alle Neuigkeiten aus unseren Fachbereichen. Diese Berichte und Publikationen sortieren wir für Sie chronologisch bzw. nach Interessensgebieten.

velobiz 03/2017
Lesedauer 5:30 Minuten

Pedelecs frisieren – (k)ein Kavaliersdelikt?

Ein bisschen schummeln ist ja kein Problem, mag mancher denken und bestellt sich zum E-Bike gleich ein Tuning-Kit dazu. Aber so einfach das Pedelec-Doping auch ist, so schwerwiegend sind bei genauerer Betrachtung auch die Folgen.

Volkswagen tut es, der Präsident der Vereinigten Staaten tut es, unsere Kinder tun es und wenn wir ehrlich sind, tun wir es hier und da auch ganz gerne: schummeln. Und wenn es eng wird? Dann helfen kleine Ausreden, Erinnerungslücken oder, in der heutigen Zeit, auch hartnäckiges Leugnen in Verbindung mit der Präsentation alternativer Fakten. So denken sicher viele. Und haben wir nicht schon in unserer Jugend an Auspuffanlagen geschraubt, um das geliebte Mofa oder Moped ein wenig schneller oder wenigstens lauter zu machen? Warum sollten wir dann gerade beim Aushebeln der, für viele leidlichen, 25 km/h-Begrenzung bei Pedelecs größere Skrupel haben?

(...)

Kaum Unrechts- oder Risikobewusstsein
Tatsächlich ist das Pedelec Tuning sehr verführerisch. Auf die jeweiligen Antriebssysteme zugeschnittene Kits kosten zwischen 100 und 200 EUR und mit wenigen Handgriffen gelingt das Frisieren selbst technischen Laien in wenigen Minuten, so das Versprechen der Hersteller. Und schon können E-Biker nicht nur das oft als lästig beschriebene Leistungsloch, das bei 25 bis 27 km/h einsetzt, vergessen, das Pedelec fährt danach teilweise sogar mit bis zu 50 km/h. Im Internet wird zwar darauf hingewiesen, dass „keine Haftung für Schäden“ übernommen und ebenso wenig eine legale Nutzung im Geltungsbereich der StVO möglich ist, aber was heißt das schon? Den meisten Kunden und Händlern ist unserer Erfahrung nach gar nicht klar, in welche Gefahren sie sich begeben und welche harten Konsequenzen ihnen drohen“, betont dazu ZIV Geschäftsführer Siegfried Neuberger. „Unsere Einschätzung ist, dass kaum noch Verbraucher zu Tuning-Tools greifen würden, wenn sie die möglichen Folgen bei einem Garantiefall, dem Wiederverkauf, einer Polizeikontrolle oder einem Unfall tatsächlich absehen könnten.“

Achtung: Pedelec wird zum Kraftfahrzeug
Tatsächlich birgt das Pedelec-Tuning gleich eine ganze Reihe von ernstzunehmenden Risiken. Der nach Siegfried Neuberger wichtigste Faktor: „Mit einer Erhöhung der Geschwindigkeit wird aus jedem Pedelec ein Kraftfahrzeug. Mit allen versicherungsrechtlichen und sogar strafrechtlichen Konsequenzen“. Davon betroffen sind nicht nur die Nutzer eines getunten E-Bikes, sondern auch Händler, die Tuning-Kits anbieten oder gar im Kundenauftrag verbauen. „Fahrradhändler, die E-Bikes tunen? Das geht gar nicht!“ so die klare Position von Albert Herresthal vom Fachverband VSF e. V. Hohe Risiken und großen Aufklärungsbedarf sieht auch der Diplom-Ingenieur und Sachverständige Dirk Zedler: „Die Tatsache, dass durch Tuning aus dem Pedelec ein Kraftfahrzeug wird, hat schwerwiegende Konsequenzen. Für den Fahrzeugführer, aber auch für den Händler, der das Fahrzeug tunt oder es getunt an den Kunden übergibt. Denn damit bringt er es in den Verkehr.“ Aus seiner Sicht gibt es auch starke Zweifel an der Haltbarkeit der Argumentation, dass der Kunde ja auf die Rechtslage aufmerksam gemacht worden sei. „Mich wundert ehrlich gesagt, dass die Gewerbeaufsichtsämter bislang noch nicht bei den Fahrradhändlern vorstellig geworden sind, die Tuningzubehör verkaufen und teilweise auch noch einbauen. Aber das wird bestimmt bald kommen.“

(...)

Merkt doch keiner?
Polizei und Versicherungen sind schon vor längerer Zeit auf das Thema Tuning von Pecelecs aufmerksam geworden. „Tuner müssen sich darauf gefasst machen, demnächst auf Polizisten zu treffen, die mit dem Thema vertraut sind“, so Roland Huhn, Referent Recht beim ADFC. Aktuell wird demnach mit Schaubildern gezeigt, wie Polizisten illegales Tuningzubehör entdecken können. Zudem verweist der Rechtsexperte auf die Möglichkeiten der Polizei, wie beispielsweise mobile Rollenprüfstände zur Ermittlung der Höchstgeschwindigkeit sowie die Option, Fahrzeuge im Verdachtsfall sicherzustellen und von einem Sachverständigen prüfen zu lassen. Eine ungleich höhere Motivation und beste Chancen zur Aufdeckung von Tuning findet sich bei den Versicherern. Denn was liegt näher bei einem Unfall mit einem Pedelec, als erst einmal das Fahrzeug unter die Lupe zu nehmen, bevor man für Schaden aufkommt. „lm Falle eines Unfalls, egal ob mit oder ohne eigenes Verschulden, kann die Versicherung eine Untersuchung des Pedelecs durchführen lassen, erläutert der Sachverständige Dirk Zedler, der in seinem Unternehmen mit solchen Fällen inzwischen gut zu tun hat. „Mit dem E-Bike ist nicht nur die Mobilität per Fahrrad auf dem Vormarsch, sondern auch eine neue Streitwelle vor Gericht eingeleitet worden. Unser Auftragsvolumen hat sich diesbezüglich extrem erhöht.“ Dabei warnt er potenzielle Tuner eindringlich vor den Konsequenzen: „Bei der Untersuchung durch einen Sachverständigen wird sehr schnell klar, ob die maximale Geschwindigkeit manipuliert wurde. „Die technischen Einrichtungen wie Dongles würden vom Eigentümer zwar regelmäßig vor der Begutachtung abmontiert, aber er vergesse, dass sich durch verschiedene Parameter sehr leicht aus dem System ablesen lässt, ob hier von außen eingegriffen wurde. „Die Elektronik speichert die Daten wie bei einem Fahrtenschreiber. Bereits die hinterlegte Durchschnittsgeschwindigkeit reicht für uns als Indikator, um zu erkennen, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht. Tuner werden so sehr schnell und zweifelsfrei entlarvt."

(...)

Hohe materialbedingte Unfallrisiken
Eine unkalkulierbar hohe Gefährdung betont auch Dirk Zedler, für den das Testen des Pedelecs als Gesamtsystem zum täglichen Geschäft gehört. „Aus Gutachtersicht machen mir nicht nur die möglichen rechtlichen bzw. strafrechtlichen Folgen Sorgen, sondern auch die materialbedingten Unfallrisiken – für den Fahrer selbst, aber natürlich auch für andere Teilnehmer.“ Vor allem geht es für ihn darum, dass die eingesetzten Komponenten für höhere Geschwindigkeiten überhaupt nicht ausgelegt sind. „Selbstverständlich hören wir oft die Argumentation, dass bergab ja auch mit einem normalen Fahrrad oder Pedelec deutlich schneller gefahren wird. Aber darum geht es nicht. Viel wichtiger sind die Dauerbelastungen, denen die Komponenten nicht gewachsen sind. An erster Stelle geht es hier um die Bremsen, aber auch um andere Teile, wie Lenker und Gabel und nicht zuletzt den Rahmen.“
Laut eigener Aussage kommt bei ihm inzwischen eine hohe Anzahl von Pedelecs zur Begutachtung an. „Was wir dabei in der letzten Zeit sehr deutlich merken, ist, dass ein großer Teil der sportlichen E-Bikes, also Trekking- und Reiseräder sowie E-Mountainbikes, schneller gemacht wurde. Beim klassischen Tiefeinsteiger taucht das Thema Tuning praktisch gar nicht auf.“ Und warum gibt es noch keine Gerichtsurteile und Berichte in der Presse? Auch darauf liefert der Experte eine plausible Antwort: „Da E-Bike-Tuning noch ein relativ neues Thema ist und sich gutachterlich begleitete Prozesse über Jahre ziehen können, haben wir aktuell noch keine warnenden Präzedenzfälle.“

(...)

Autor: Reiner Kolberg

Zurück