Verkehrsminister Winfried Hermann ist nicht zu beneiden. Bis 2030, so das offizielle Ziel der grünschwarzen Landesregierung, sollen die Emissionen im Verkehrssektor um 55 Prozent reduziert werden. „Das geht nur, wenn bis dahin jedes zweite Auto emissionsfrei unterwegs ist, jeder zweite Weg zu Fuß oder auf dem Fahrrad zurückgelegt wird und wir doppelt so viele Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr haben“, sagt Hermann am Montagabend im gut besuchten Central Filmtheater. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Silke Gericke hat zu der Infoveranstaltung eingeladen, der Verkehrsminister diskutiert mit dem Ludwigsburger Bürgermeister Sebastian Mannl, Christian Schneider, Geschäftsführer der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB), sowie Dirk Zedler, Geschäftsführer des in Ludwigsburg ansässigen Zedler-Instituts für Fahrradtechnik und -Sicherheit, über nachhaltige Mobilität.
In der Realität stößt die Verkehrswende auf massive Widerstände. Hermann rät zu mehr Gelassenheit. Die Umstellung vom Pferd aufs Auto etwa habe für die Menschen im ausgehenden 19. Jahrhundert eine viel größere Umstellung bedeutet als die jetzigen Herausforderungen. „Ich habe manchmal den Eindruck, dass unsere Vorfahren innovativer waren als wir“, meint der Verkehrsminister. „Wir haben uns bequem eingerichtet. Aber die Welt bleibt nicht so, wie sie ist.“
Hermann betont: „Wir Grünen wollen das Auto nicht nur zurückdrängen.“ Stattdessen gehe es darum, die Lebensqualität durch die Aufwertung von Orts- und Stadtzentren zu erhöhen. „Das erfordert mehr Grün und Plätze zum Verweilen.“
Fahrradexperte Zedler stimmt zu. „Aber die Leute haben Angst davor, dass bestimmte Stadtbereiche nur noch für Radler und Fußgänger zugänglich sind.“ Dabei gebe es in ganz Europa kein einziges Beispiel dafür, dass sich die Ausweisung einer Fußgängerzone negativ auf den Einzelhandel ausgewirkt habe. In Gesprächen mit Ludwigsburger Gewerbetreibenden und Gastronomen versuche er, solche durchaus vorhandenen Bedenken zu entkräften. Zedler: „Die Zeiten, in denen der Ludwigsburger Marktplatz von Autos zugestellt war, wünscht sich ja auch niemand zurück.“
SWLB-Geschäftsführer Schneider setzt große Hoffnungen in das derzeit auf dem Parkhaus Schillerviertel entstehende Parkdeck, das bis zum nächsten Jahr 700 moderne Fahrradstellplätze bieten wird. Solche Angebote in unmittelbarer Zentrumslage seien wichtig, um den Radverkehr besser mit anderen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn zu verknüpfen.
Bürgermeister Mannl weist darauf hin, dass der Ausbau der Infrastruktur, etwa ein neuer Fahrradweg, in der Praxis in aller Regel zur Herausforderung wird. Die von Schneider angesprochene Verknüpfung von Radverkehr und Bahnhof spiele auch bei der Trassenfindung für den geplanten Radschnellweg von Bietigheim-Bissingen nach Ludwigsburg eine wichtige Rolle. Um die Herausforderungen im Verkehrsbereich zu meistern, braucht es aus Sicht des Bürgermeisters „eine Art Gesellschaftsvertrag“.
Moderatorin Gericke fragt, ob das Parken in Ludwigsburg zu günstig ist. Zunächst einmal müsse es darum gehen, Autofahrer in die Parkhäuser zu lotsen, antwortet Mannl. Schon das erfordere „Verhaltensänderungen, weil alle in die Rathausgarage wollen“. Das Parken im Parkhaus dürfe nicht teurer sein, als das Fahrzeug draußen auf einem öffentlichen Parkplatz abzustellen.
Teurer sein müsste laut Mannl dagegen das Bewohnerparken, für das momentan eine Jahresgebühr von 120 Euro erhoben wird. Das reiche zwar, um die laufenden Reinigungskosten zu decken, so der Bürgermeister. Doch die Fahrzeugbesitzer belegten den öffentlichen Raum, ohne dass die Kommune Pachteinnahmen erziele. „Deshalb ist das Bewohnerparken zu günstig, es müssten eigentlich 250 bis 400 Euro sein.“
Die Antwort von Moderatorin Silke Gericke: „Das führt sicher noch zu spannenden Diskussionen im Ludwigsburger Gemeinderat.“
Autor: Frank Klein
Foto: Holm Wolschendorf