BIKE: Herr Zedler, sind die vom Bundesgerichtshof zur Debatte gestellten bis zu 25 % Eigenverschulden bei der Verwendung von Klickpedalen gerechtfertigt?
Nein, auf den ersten Eindruck nicht. Ohne Detailkenntnis des Falls ist dies natürlich nicht abschließend zu beurteilen. Es ist aber auch nicht erkennbar, ob hier überhaupt ein Sachverständiger mit Fahrrad-Expertise vom Gericht angehört wurde.
Ist denn die unfallverschlimmernde Wirkung von Klickpedalen erwiesen?
Studien, dass Systempedale Unfälle verschlimmern, kenne ich nicht. In meiner mehr als 25-jährigen Laufbahn als vereidigter Fahrrad- und E-Bike-Sachverständiger, mit weit mehr als 10.000 Gutachten, ist dies bis jetzt weder ein beauftragtes Thema gewesen noch in irgendeiner Art auffällig geworden. Wir haben kein Indiz, dass Klick- bzw. Systempedale vergleichbare Unfälle verursacht oder solche Verletzungsfolgen mit begünstigt haben. Im Gegenteil kann man sogar davon ausgehen, dass Systempedale dem Fahrer eine bessere Kontrolle auf dem Rad ermöglichen. Frühere Haken- und Riemenpedale, die eine vergleichbare Kontrolle boten, führten deutlich häufiger zu Stürzen. Flat-Pedals sind für Tourenfahrer weniger geeignet und bedeuten eine hohe Gefahr von Schürf- und Schnittwunden im Schienbeinbereich, wenn man abrutscht.
Ist nicht vielmehr davon auszugehen, dass ein Überschlag, wie er scheinbar passiert sein muss, bei der Schreckbremsung auch mit "normalen" Pedalen passiert wäre?
Ein Überschlag aufgrund zu hoher Verzögerung bei einer Schreckbremsung ist schlicht physikalisch bedingt. Dabei geht der Fahrer über den Lenker, egal ob mit oder ohne Systempedale. In den 1990ern, als es sehr viele Überschläge aufgrund sich auffaltender Schutzbleche gab, wurden zig solcher Unfälle untersucht. Es kam zu schrecklichen Folgen, selbst bei Schrittgeschwindigkeit. Keiner dieser Fahrer*Innen hatte Systempedale am Rad, sondern sie waren mit normalen Tourenpedalen unterwegs. Keinem dieser Fahrer gelang es im Zuge des Überschlags abzuspringen, um so die Unfallfolgen zu mildern.
Was glauben Sie, wie es jetzt in dem Fall weiter geht?
"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand" ist so ein Sprichwort, das gelegentlich leider gilt. Ich hoffe für den verunfallten Biker, dass das nun angerufene Gericht einen Fahrrad-Sachverständigen in Kombination mit einem Mediziner beauftragt, die sich mit der Thematik tiefergehend auseinander setzen. Erst wenn der Unfallablauf und die Verletzungen fundiert analysiert und zusammengeführt sind, sollten die Juristen weitergehend tätig werden.
Herr Zedler, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
Das Interview führte Sebastian Brust.
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