Seit dem Mountainbike-Boom Ende der 1980er-Jahre wurden Fahrräder von Radsportlern für Radsportler gebaut. In dieser Freizeitecke sind Modeerscheinungen und Funktionen zu Verkaufsargumenten geworden, die das Gros der Fahrer gar nicht erfahren kann beziehungsweise die ihm keinen oder nur einen sehr geringen Nutzen brachten. Diese Verkaufsstrategien führten zu immer kürzer werdenden Halbwertszeiten von sogenannten Standards bei Reifen, Naben, Tretlagern und Gabeleinbaumassen etc.
Was in einer Saison hip war, war ein, zwei Jahre später schon kalter Kaffee. Das wäre nicht schlimm, wenn nicht mangelnde Ersatzteilversorgung und damit nicht gegebene Reparaturfähigkeit manchem Fahrrad ein zu frühes Ende bereitet hätte.
Seit 10 Jahren reitet die Branche nun schon auf der Elektrorad-Welle, lässt aber weitgehend außer Acht, dass das „E“ am Fahrrad fast alles ändert. Historisch bedingt gewichtsoptimierte Bremsbeläge und -scheiben, die nach wenigen Bergabfahrten verschlissen sind, superschmale Ketten mit ebenso, filigranen Ritzelpaketen, die nach weniger als tausend Kilometern Altmetall sind, Konstruktionen, die den generell härteren Belastungen durch Mehrgewicht, höhere Kilometerleistung und Kindertransport nicht gewachsen sind und zerbrechen sowie weiterhin hektische Modellwechsel in Kombination mit schlechter Ersatzteilversorgung lassen die dem Grunde nach gute Ökobilanz des E-Bike Fahrens schnell kippen.
Gerade in den vergangenen Jahren ist ein - vom E-Bike mitverursachter - überaus dynamischer Wandel im Markt und damit in der Branche zu erkennen, der die Kassen der Hersteller laut klingeln ließ. Spätestens jetzt ist es an der Zeit, die Transformation aus der Sport- und Hobbyecke hinein in eine echte nachhaltige Mobilität tatsächlich zu vollziehen. Sonst kann es sein, dass die wenig nachhaltige Herstellung und schnell verschleißende Produkte Thema werden und unser Heiligenschein einen kaum mehr zu beseitigenden Kratzer bekommt.
Dirk Zedler ist diplomierter Ingenieur, Fahrradsachverständiger und Geschäftsführer des Zedler-lnstituts, dem Referenzlabor für Fahrradtechnik und -sicherheit.