Pedelecs mit kräftigem und gut abgestimmten Hinterrad oder Mittelmotor sind Spaß pur. Flink in der Beschleunigung und stark am Berg. Wenn an einem längeren Anstieg der Akku schlapp macht, wird eine Radtour mit dem Pedelec von der Spaßveranstaltung allerdings schlagartig zur Schwerstarbeit. Statt souveräner Herrlichkeit am Berg sind gut 20 Kilogramm Fahrrad hinauf zu quälen. Nicht selten hat daher die erste längere Ausfahrt mit dem Pedelec die Euphorie so manches Käufers einen ordentlichen Dämpfer verpasst und ihn aus einem zufriedenen Kunden zum Nörgler im Fahrradgeschäft umgepolt.
Klasse am Elektromotor ist, dass das Drehmoment von der ersten Umdrehung bis zur Höchstdrehzahl zur Verfügung stehen kann. Das ist ein enormes Plus gegenüber dem Drehzahlabhängigen Drehmomentverlauf des Verbrennungsmotors.
Fakt ist jedoch auch, dass die Energiedichte, d.h. die verfügbare Energie aus dem Kilogramm Speicher, aller derzeit verfügbaren Akkus nur einen Bruchteil dessen beträgt, was die Kraftstoffe bieten. Für vergleichbare Reichweiten bräuchte man daher enorm große und damit einhergehend schwere Akkus. Das ist der Grund warum im Automobilbau derzeit eine Leichtbauwelle, auch mit Carbon, einsetzt. Autos müssen schlicht „Gewicht machen“, um einen akzeptablen Energiespeicher mitführen zu können. Trotzdem sind PKWs meilenweit weg von sinnvoller Anwendung.
Das sehr günstige Ausgangsverhältnis von Fahrzeuggewicht und Nutzlast bietet dagegen beim Fahrrad beste Voraussetzungen, daher ist beim Fahrrad die Elektromobilität bereits Realität.
Reichweite zu kurz
Von ausgelobten 70 km Reichweite wird von vielen Fahrern in der Realität nicht einmal die Hälfte erzielt. Enttäuschungen und erste Unfälle kommen davon, dass die Kunden mit der Technik nicht adäquat umgehen und dass die Fahrräder noch ein enormes Verbesserungspotenzial haben.
Schnell leer werdende Batterien kommen oft davon, dass die Fahrer schaltfaul fahren. Anstatt flüssig zu pedalieren und die eigenen Kräfte sinnvoll einzusetzen, wird noch weniger geschaltet als schon ohne Antrieb und so dem Motor Schwerarbeit aufgezwungen. Anstatt vor dem Anhalten oder bei Getriebenaben im Stand zurückzuschalten, wird der Ampelstart auf der größten Übersetzung gefahren. Ein Auto würde abgewürgt, mit dem Fahrrad ginge es nur mühsam voran, der Motor des Pedelec zieht dagegen durch und den Akku zügig leer.
Die bei Fahrrädern weit verbreitete Faulheit was Pflege und Wartung angeht, verkürzt zudem die Reichweite. Ein Bar zu wenig Reifendruck, eine quietschende Kette und schon sind wieder wichtige, der ohnehin wenigen verfügbaren, Kilometern weg. Eine Standpumpe mit Manometer und eine Flasche Kettenöl sind daher sinnvoll verkauftes Zubehör.
Akku verschleißt
Die chemischen Prozesse eines Akkus sind nicht beliebig wiederholbar, dadurch verschleißen die Akkus und verlieren allmählich Ihre Kapazität. Je nach Hersteller werden 500 bis 1.000 (vollständige) Ladezyklen angegeben, wobei ein Akku dann noch nicht völlig verschlissen ist, sondern noch immer über den Teil seiner Kapazität verfügt. Dennoch steht irgendwann auch ein Nachkauf an, der bei aktuellen Preisen von ca. 500 Euro an aufwärts schmerzt.
Aus Angst, dass die Zahl der Zyklen schnell aufgebraucht wird, fahren nicht wenige Elektroradler den Akku immer ganz leer, was bei Li-Ionen Akkus grundsätzlich falsch ist. Am pfleglichsten und zudem sinnvoll für stetig vollständig abrufbare Maximalreichweite ist es nach jeder Fahrt zu laden. Kontraproduktiv für das Kundenverhalten ist der jahrelang gepredigte Memory-Effekt früherer Akkuversionen, den aktuelle Generationen nicht mehr aufweisen. Daher müssen Kunden vom Fachhändler durch ein Gespräch und vom Hersteller durch eine gut gemachte Betriebsanleitung kompetent informiert werden, um von der alten Doktrin Abstand zu nehmen.
Gewöhnungsbedürftiges Fahrverhalten
Wer jahrelang Fahrrad gefahren ist, mag auch ein Pedelec so fahren, wie sein Fahrrad. Das geht jedoch nicht immer gut. Bei weitem nicht jedes Pedelec ist so gut angesteuert und geregelt, dass es den (Tritt-)Befehlen des Fahrers sauber folgt. Verzögert und dann abrupt einsetzendes Beschleunigen kann ebenso gefährlich sein, wie kräftiges Nachschieben des Antriebs, obwohl der Fahrer schon längere Zeit aufgehört hat zu treten.
Kein Kunde wird umhinkommen sich etwas anzupassen, aber nicht wenige Antriebe weisen schlicht ein untragbares und gefährliches Fahrverhalten auf. Ein Trugschluss ist es auch bei verschiedenen Fahrradherstellern oder -modellen, aber gleichem Antriebssystem davon auszugehen, dass diese alle gleich fahren. Riesige Unterschiede können sich durch die Wahl der Sensorik und die so genante Applikation, das heißt herstellerspezifische Abstimmung, ergeben. Analog zum Chip-Tuning beim Auto um verschiedene Leistungsniveaus zu erreichen, macht die Software beim Pedelec aus einem sanften Rückenwind eine stürmische Beschleunigung. Als Händler tut man daher gut daran, in Frage kommende Pedelecs Probe zu fahren und zwar vor der Order.
Großes Potenzial
Gerade was die Elektronik angeht, bietet sich noch viel Luft nach oben. Das beginnt beim Batteriemanagement, der Wissenschaft jede der einzelnen Zelle eines Akkus sowohl beim Laden, als auch beim Fahren zu steuern und zu regeln. Die Abstimmung des Motors muss künftig individueller und gleichzeitig einfacher werden. Am Besten wir dies für jeden Fahrertypus programmiert. Weitere Elektronische Elemente wie Navigation, Leistungsmessung etc. pp. werden den Weg übers integrierte Smartphone ans Pedelec finden. Schlussendlich muss die Rekuperation, die Umwandlung von Bewegungsenergie beim Bremsen anstatt in Wärme in Strom, intensiviert werden. Neue Wege, wie die auf der Messe vorgestellten Automatikgetriebe von Nuvinci und TranzX werden künftig den Fahrer unterstützen, dass er sich und den Akku schont. Das Wettrüsten der Hersteller kann beginnen.
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