TOUR Der Rahmen hat einen Riss, beim 400-Euro-Carbonschuh löst sich die Sohle, das Navi lädt nicht mehr. Was tun?
DIRK ZEDLER Zuerst sollte man sämtliche Unterlagen zum Kauf zusammensuchen und den Schaden sauber und mit Datum dokumentieren. Scharfe, richtig belichtete Fotos aus mehreren Perspektiven lassen sich mittlerweile mit fast jedem Handy machen. Einmal die Totale, dann die Details. Weil das Handy die Aufnahmedaten automatisch speichert, ist so auch der Zeitpunkt dokumentiert. Das kann wichtig sein. Dann Kontakt zum Händler aufnehmen. Der – und nicht der Hersteller – ist zuständig.
Vermutlich will der Händler das defekte Teil behalten – schon, um wiederum seine Ansprüche an seinen Lieferanten zu untermauern. Soll ich mein Beweismittel wirklich aus der Hand geben?
Bei Körperschäden würde ich es nicht aus der Hand geben. Aber bei ganz normalen Sachmängeln, die schon ausreichend dokumentiert sind, ist das der übliche Weg. Das Produkt bleibt ja Eigentum, das darf beim Händler nicht einfach verschwinden. Bei der persönlichen Übergabe sollte man eine Quittung mit Beschreibung des Gegenstandes einfordern, bei Postversand einen Lieferschein beilegen.
Wie kann ich meine Chancen steigern, dass der Händler nachbessert oder den Kaufpreis erstattet?
Ich wundere mich manchmal, wie Leute kommunizieren. Im Geschäftsleben ist Seriosität gefragt, auch in der Radbranche. Da kann ich nicht mit einer Serie von schludrigen WhatsApp-Nachrichten und unbrauchbaren Fotos kommen und erwarten, dass ich ernst genommen werde. Einfach miteinander zu reden und das dann protokollarisch gemeinsam festzuhalten, ist auch keine schlechte Idee.
Und die Sache gleich mit Anwalt anzugehen, hilft das?
Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen. Wer gleich maximal eskaliert, hat schnell ein neues Hobby an der Backe, das ihm selbst im Erfolgsfall meist mehr Zeit und Geld raubt, als eigentlich zur Debatte steht. Ich musste kürzlich als Sachverständiger quer durch die Republik zu einem Gerichtstermin anreisen, um zusätzlich zum Gutachten auch persönlich zu bestätigen, dass das Problem, um das gestritten wurde, nicht aufgetreten wäre, wenn der Kläger die Kette geölt hätte. Der ganze Spaß hat ihn am Ende mehrere Tausend Euro gekostet.
Viele Käufe, aber auch Beschwerden, laufen mittlerweile über das lnternet. Hat das die Reklamationskultur verändert?
Schon ein wenig. Einerseits können sich die Käufer besser informieren, wenn sie das wollen. Andererseits eskalieren Dinge aber auch schnell. Früher haben die Leute gedroht, dass sie einen Leserbrief an TOUR schreiben, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden. Da gab es noch einen Gegencheck durch die Redaktion, bevor es in die Welt rausging. Jetzt postet jeder direkt jeden Blödsinn. Das ist je nach Veröffentlichungskanal schon ein Problem für eine Firma.
Das Interview führte Jörg Spaniol